Corona App-Spezial

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Die Menge an Daten wächst so kontinuierlich wie die Ideen für ihre Nutzung. Was zunächst sinnvoll scheint, enthält oft Missbrauchspotenzial. Die Corona-Pandemie mit einer App einzudämmen ist das Ziel. Was wir uns damit einhandeln, ist die Frage.

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  1. 06/16/2020

    Gesetz zur Corona-Warn-App gefordert

    Nach Wochen der Entwicklung durch Telekom und den Softwarekonzern SAP ging die Bundesregierung mit der Präsentation der Corona-Warn-App am Dienstag nahtlos in die Werbephase über. Möglichst viele Menschen sollen die App nutzen, damit Kontakte zu Corona-Erkrankten schneller erkannt werden und Schutzmaßnahmen eher getroffen werden können. »Aus Sicht des Datenschutzes sehe ich keinen Grund, der gegen eine Installation spricht. Aber es gibt noch Schwachstellen«, erklärte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber. Zu den Schwachstellen zählt er, dass Nutzer*innen ein positives Corona-Testergebnis bislang noch über ein TAN-Verfahren an die App melden müssen. Zu den weiteren Baustellen gehört die Anbindung der Labore und Gesundheitsämter, damit Testergebnisse digital übermittelt werden können. Nach der Veröffentlichung in den App-Stores gab bereits enttäuschte Rückmeldungen. So funktioniert die App nur auf neueren Geräten. Im Fall von Apple muss die Firmwareversion 13.5 installiert sein, die erst ab dem iPhone 6s verfügbar ist. Lesen Sie auch: »Die Latte hängt tief« Konkrete Zahlen, welche kritische Masse an Nutzer*innen mindestens erreicht werden soll, sind bei der Bundesregierung kein Thema mehr. »Wir sind mit den Infektionszahlen in einer guten Lage, wollen uns diese aber auch mit der App erhalten«, beschreibt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) deren Zweck. Nur in Verbindung mit den bekannten Abstandsregeln und dem Tragen einer Schutzmaske lasse sich ein positiver Effekt bei der Pandemiebekämpfung erzielen. Die App soll Infektionsketten früher unterbrechen, als das den Gesundheitsämtern bisher möglich war. Entwickler hoffen, dass mit der digitalen Unterstützung potenziell infizierte Personen zwischen zwei und vier Tagen schneller informiert werden und ihr Verhalten anpassen können. Die Leistung der Entwickler und die letzten Endes doch noch datenschutzorientierte Lösung fand in den Fraktionen der Linken und Grünen Anerkennung. Mahnende Worte gibt es beim Blick auf die Freiwilligkeit. Die Fraktionen fordern ein Gesetz, um zu verhindern, dass es zur Diskriminierung von Menschen kommt, die die App nicht nutzen wollen. »Sensible Gesundheitsdaten bedürfen eines besonderen Schutzes«, erklärt Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Deutschlandweit müssen sich nun Arztpraxen und Labore auf den Umgang mit der neuen Technologie einstellen.

    21 min
  2. 05/25/2020

    Druck bei der Corona-App

    Die Verzögerungen bei der Einführung der Corona-Warn-App stoßen zunehmend auf Kritik. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte in der »Welt am Sonntag« angesichts der Verspätung : »Gucken Sie sich das Elend um die Entwicklung einer Corona-App an. Ich bin kein Experte, aber es dauert mir ein bisschen lange.« Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußerte grundsätzliche Zweifel an den bisherigen Plänen. Mit der Corona-Warn-App sollen Kontakte nachverfolgbar werden. Wenn sich zwei Smartphone-Nutzer*innen für eine längere Zeit in einem infektionsrelevanten Abstand begegnet sind, erfassen die Apps auf den Geräten diesen Kontakt. Wird bei einer dieser Personen eine Corona-Infektion festgestellt, so erhalten alle Smartphones eine Mitteilung, die durch die Corona-App erfasst wurden. Die Anforderungen für die App sind hoch. Technisch sind die Voraussetzungen für den Dauerbetrieb der App erst seit Freitag gegeben. Maßgeblich war dafür die Freigabe der Bluetoothschnittstelle für das neue Nutzungsszenario durch Apple und Google. Ihre Betriebssysteme dominieren den Markt und gelten als wesentlich für den Erfolg der App, die hohe Nutzungszahlen erreichen muss, um eine Wirkung bei der Bekämpfung der Pandemie erreichen zu können. Die App wird derzeit von den Unternehmen SAP und Telekom entwickelt und soll Mitte Juni bereit stehen. Organisatorisch müssen Kapazitäten, unter anderem bei den Gesundheitsämtern, bereitstehen, sodass Nutzer*innen der App schnellstmöglich auf eine Infektion getestet und Infektionsketten unterbrochen werden können. Tabea Rößner, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Netzpolitik, sagte zum Prozess der App-Entwicklung: »Ich warne davor zu sagen, das ist das Allheilmittel. Die App ist wichtig, aber wir bekämpfen nicht mit ihr allein die Pandemie.« Auch Ministerpräsident Kretschmer mahnte, die Einhaltung der Abstandsregeln und das Tragen eines Mundschutzes seien weiterhin unerlässlich. Das Infektionsrisiko dürfte angesichts der Lockerungen weiter steigen. Am Pfingstwochenende rechnen die Bahn und Busreiseunternehmen mit mehr Betrieb auf ihren Fernreisestrecken. Während die Bahn unter anderem mit der Anzeige der Zugbelegung in ihrer DB-Navigator-App versucht, die Zahl der Reisenden zu lenken, setzt das Unternehmen Flixbus ausschließlich auf Hygienemaßnahmen an den Haltestellen. »Gegenwärtig wurde die Anzahl von buchbaren Sitzplätzen in den Bussen nicht reduziert, da diese Maßnahme die finanzielle Situation unserer Buspartner in diesen Zeiten stark beeinträchtigen würde« teilte das Unternehmen dem »neuen deutschland« mit. Fahrgäste seien in den Bussen aber zum dauerhaften Tragen einer Maske verpflichtet. Mit Agenturen / Kommentar Seite 8

    24 min
  3. 05/05/2020

    Klarer Zweck, klare Grenzen und ein Ablaufdatum

    Als vor wenigen Tagen die Bundesregierung ihre Entscheidung für das dezentrale Modell einer Corona-App bekannt gab, wirkte es wie ein Sieg der Datenschützer. Doch es ist wohl kaum Einsicht, die Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun zum Datenschutzbefürworter werden lässt. Apple und Google, deren Betriebssysteme den Markt dominieren, hatten bekannt gegeben, dass die notwendigen Bluetooth-Schnittstellen nur die dezentrale Umsetzung einer Corona-App unterstützen werden. Ohne diese Schnittstellen wäre eine komfortable Nutzung nicht möglich, denn die App müsste permanent eingeschaltet und im Vordergrund auf dem Smartphone aktiv sein. Die unbedingt notwendige breite Akzeptanz bei den Nutzer*innen wäre so absehbar nicht zu erreichen. Nach Wochen der Diskussion ist immer noch unklar, welche Funktionalitäten an die Corona-App geknüpft werden sollen, die oft als Voraussetzung für Lockerungen gehandelt wird. Ohne App kein Eintritt in Veranstaltungen - solche Nutzungsszenarien würden schnell einen gesellschaftlichen Druck erzeugen, die App zu nutzen. Eine Gruppe aus mehreren Autor*innen legte zu Wochenbeginn einen Gesetzesvorschlag vor, um das Missbrauchspotenzial einzufangen. »Im Kern sehe ich unseren Vorschlag als politisches Statement: Das und nicht mehr!«, sagte Dr. Malte Engeler, der als Jurist lange Zeit auch in der europäischen Datenschutzaufsicht tätig war. »Meine persönliche Motivation war, der Regierung jetzt den Spiegel vorzuhalten und aufzuzeigen, dass für den ursprünglichen Zweck ein so knapp und übersichtlich formuliertes Gesetz völlig ausreicht.« Das Team aus sachkundigen Autor*innen gibt einen engen Rahmen vor, mit dem das politisch erklärte Ziel erreicht werden soll. Dabei lassen sie keinen Spielraum für Spitzfindigkeiten und Hintertüren und beschränken das Gesetz rein auf die Coronakrise. Der freiwilligen Nutzung der App ist ein eigener Paragraf gewidmet. »Die Gefahr bei einer freiwilligen App ist immer, dass sie nicht wirklich freiwillig bleibt«, sagt Mitverfasser Jürgen Geuter. »Auch bei der Schufa ist formal alles freiwillig. Doch wer eine Auskunft verweigert, bekommt keinen Kredit oder keine Wohnung.« Geht es nach den Autor*innen, so soll sich die Politik rechtfertigen, wenn ein Gesetz zur Corona-App über den Umfang ihres Vorschlages hinausgeht. Die Abgeordnete Anke Domscheit-Berg (Linke) setzt sich für die gesetzliche Regelung ein: »Momentan prüft die Fraktion die Einbringung des vorgebrachten Entwurfs, an dessen Erarbeitung auch die Referentin für Netzpolitik der Linksfraktion beteiligt war, in den gesetzgeberischen Prozess.« Ein Gesetz wird als notwendig angesehen, da die reine Einwilligung in die Datenverarbeitung, wie sonst bei Apps üblich, keine ausreichenden Grenzen setzt. Auch müssen Löschfristen geregelt und die Nutzung der gesendeten Signale vor einer schleichenden Zweckentfremdung geschützt werden. »Durch immer neue Hirngespinste wie zunächst das Handytracking und später die Datenspende-App oder Steuervorteile für App-Nutzer hat die Bundesregierung zudem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger massiv geschädigt«, sagt der stellvertretende Faktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, und sieht den Vorschlag als »überwiegend zustimmungsfähig« an. Die Fraktion der Grünen will am Donnerstag die Forderung nach einem Gesetz in den Bundestag einbringen. »Offensichtlich plant die Bundesregierung derzeit keine solche gesetzliche Regelung«, kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz. Die CDU kommentierte den Vorschlag bis zum Redaktionsschluss nicht. Der Koalitionspartner SPD begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung für die dezentrale Umsetzung der App, äußerte sich aber weder zum konkreten Gesetzesvorschlag des Autor*innenteams, noch zur generellen Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Klar ist derzeit nur, dass die Corona-App durch die Telekom und den Softwarekonzern SAP realisiert werden soll. In IT-Kreisen wird die Beteiligung der Telekom kritisch gesehen, da das Unternehmen bisher bei Softwareprojekten großer Dimensionen, wie mit dem rechtssicheren E-Mail-Standard De-Mail, keine überzeugenden Nutzerzahlen erreichte.

    31 min
  4. 04/23/2020

    Zentrale Überwachung bevorzugt

    Diskussionen sind beim Thema Corona-Apps nicht erwünscht. Was in den letzten Wochen deutlich zu spüren war, sprach nun der Entwickler des PEPP-PT-Standards, Hans-Christian Boos, in einem Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« aus. PEPP-PT soll europaweit die Basis für die digitale Kontaktnachverfolgung sein. IT-Unternehmer Boos unterstützt prinzipiell einen offenen Austausch, aber eben nicht so, wie der in den letzten Tagen rund um sein umstrittenes Projekt lief. »Leider haben einige Leute beschlossen, diese Fragen in die Öffentlichkeit zu tragen«, sagte er der FAZ und meint, all das habe nichts zum Erkenntnisgewinn beigetragen. Weitere Aussagen von Boos lassen Rückschlüsse auf die Intention des Unternehmers zu, dessen PEPP-PT-Projekt Formen annimmt, die gut zu den Geschäftskonzepten seiner Firma passen. Diese ist im Bereich der künstlichen Intelligenz tätig. Es müssten Risikoanalysen technisch möglich werden, »die sich im Laufe der Zeit durch Machine Learning verfeinern könnten«, meint Boos und ist damit mitten im Hauptgeschäft seiner eigenen Firma. Seine eingeschränkte Diskussionsbereitschaft begründet er indirekt mit Zeitdruck. Eine dezentrale Lösung, die datenschutzkonformer wäre und zuletzt von 300 Wissenschaftler*innen aus 25 Ländern gefordert wurde, benötige vermutlich »zwei Jahre Entwicklungszeit«. Die Bundesregierung agiert derweil weiterhin undurchsichtig. Der digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski (CDU), wird im »Handelsblatt« mit der Aussage zitiert, das Gesundheitsministerium habe sich unter drei möglichen technischen Plattformen für PEPP-PT entschieden. Doch das relativierte das Ministerium am Donnerstag: Eine Studie zum Einsatz der App sei beim Fraunhofer-Institut beauftragt, aber man behalte natürlich weiterhin auch andere App-Entwicklungen im Blick. Schipanski hingegen meinte: »Wir sind bei der Corona-App auf einem guten Weg« - und kam bei der Opposition nicht gut an. »Das Vorgehen der Bundesregierung ist nicht nur tödlich für die Akzeptanz einer App-Lösung, es zeugt auch von mangelndem Respekt gegenüber dem Parlament«, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz ebenfalls dem »Handelsblatt«. Auch stünden Fachgremien ohne konkrete Informationen da. Bislang sind bis zu vier Apps mit Corona-Bezug im Gespräch, wie dem Bundestagsausschuss »Digitale Agenda« am Mittwoch mitgeteilt wurde. Neben der Datenspende-App, die zuletzt dem Chaos-Computer-Club (CCC) mit deutlichen Sicherheitslücken aufgefallen war, soll es eine App zur Kontaktverfolgung (PEPP-PT-Projekt) sowie eine zur Erfassung von Covid-19-Symptomen geben. Eine Quarantäne-App soll vor allem die Gesundheitsämter entlasten. Dort telefonieren Mitarbeiter täglich mit Patienten und erfragen den Stand der Erkrankung. Die in den letzten Wochen immer wieder betonte Freiwilligkeit bei Apps verschwindet zumindest bei Quarantänefällen immer mehr aus der Diskussion. Die technische Umsetzung ist noch nicht konkretisiert, aber internationale Vorbilder finden sich in Polen und Hongkong, wo die Installation von Apps oder verpflichtende Trackingarmbänder verfügt wurden. Den Gesundheitsämtern versprach Jens Spahn finanzielle Unterstützung bei der Digitalisierung der rund 700 Standorte. Je 150 000 Euro stünden bereit, um Teams zur Kontaktverfolgung einzusetzen. Fünf Mitarbeiter*innen sollten pro 20 000 Einwohner*innen zum Einsatz kommen. Die vierte Softwarelösung sei ein Register, in dem intensivmedizinische Kapazitäten verwaltet werden. Wer das technisch umsetzen könnte, kristallisiert sich in Hessen heraus. Das umstrittene US-Unternehmen Palantir, das bereits in Großbritannien, Griechenland und den USA in diesem Bereich agiert, bietet dort die Software »Foundry« (englisch für Gießerei) an, die nach Firmenangaben für die Optimierung von Lieferketten konzipiert ist. Palantir trifft wegen seiner engen Beziehungen zu US-Geheimdiensten auf Kritik bei der hessischen Linken. »Zum miserablen Stil von Innenminister Peter Beuth (CDU) gehört es, dass hier möglicherweise erneut geheime Verträge abgeschlossen werden sollen oder sich jedenfalls neue Geschäfte mit Palantir anbahnen«, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Herrmann Schaus am Donnerstag und kritisierte, dass die Abgeordneten des hessischen Landtags dies aus der Zeitung erfahren hätten. Nach Angaben des hessischen Innenministeriums testet man derzeit eine befristete Gratisversion des Programms, mit der die Ausbreitung des Virus verfolgt werden könne. Die Software erfasse auch freie Betten und Beatmungsgeräte sowie die Ausstattung mit Schutzanzügen und Masken. Der Opposition verweigert man die Auskunft, auf welche Daten hessischer Bürger das US-Unternehmen derzeit zugreifen kann.

    38 min
  5. 04/06/2020

    Dein Herz schlägt für Maschmeyer

    Eine freiwillige Datenspende soll im Kampf gegen das Coronavirus helfen: Werte, wie Blutdruck, Herzschlag und Körpertemperatur, sollen Menschen nun in Verbindung mit ihrer Postleitzahl und weitestgehend anonymisiert über eine App übermitteln. Schon kurz nach der Vorstellung durch den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI) Professor Lothar H. Wieler gerät die App an ihre Leistungsgrenzen. Wer hinter der App steckt, ist nicht sofort ersichtlich. »Danke für Ihr großes Interesse an der #Datenspende-App«, schreibt das RKI auf Twitter. »Durch die vielen Zugriffe gibt es aktuell technische Probleme, u.a. bei der Eingabe der PLZ. Wir arbeiten daran #ZusammengegenCorona«. Die breite Akzeptanz der Bevölkerung zu einer solchen technischen Maßnahme gegen das Coronavirus war in den letzten Tagen bereits erwartet worden und bestätigt sich bei diesem App-Projekt. Aus den Daten von Fitnessarmbändern und Smartwatches wollen die Wissenschaftler des RKI Erkenntnisse gewinnen, noch bevor sich Krankheitssymptome zeigen. »Diese Daten helfen uns, die Dunkelziffer der Infizierten zu minimieren und bessere Maßnahmen treffen zu können.« Fieber, veränderter Schlaf und eine verringerte Aktivität würden auf eine mögliche Infektion hindeuten, aber letztlich keine Covid19-Infektion bestätigen können, heißt es aus dem Robert-Koch-Institut in der morgendlichen Pressekonferenz. Die Symptome sollen ausgewertet werden und die Daten darüber in eine regionale Karte fließen, die die Verbreitung von potenziell Infizierten bis auf Ebene der Postleitzahl zeige. Maschmeyer-Investment Wenn es in der Öffentlichkeit um Datenschutz geht, dann wird gewöhnlich auf die Beteiligung von Facebook oder Google an Datenauswertungen mit Ablehnung reagiert. Weniger etabliert ist der kritische Blick bei anderen Unternehmen, die in großem Stil an Datensammlungen beteiligt sind. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der App offenbaren, dass das deutsche Unternehmen, das die App umsetzt, ein hochbewertetes Berliner StartUp ist. Ein Firmenportrait der mHealth Pioneers GmbH, das im Mai 2019 in der Wirtschaftswoche erschien, legt die Hintergründe des 2017 gegründeten Unternehmens offen. Zu den bekanntesten deutschen Investoren zählt Carsten Maschmeyer, der zuletzt in der TV-Produktion Höhle des Löwen quasi am Fließband nach neuen Unternehmensideen und Geschäftskonzepten suchte. Maschmeyer ist umstritten. Insbesondere die Berichterstattung rund um den von ihm mitgegründeten Finanzdienstleister AWD, dessen Verkaufsmethoden über Jahre in der Kritik standen, zog rechtliche Auseinandersetzungen nach sich. Zu den weiteren Investoren zählt Min-Sung Sean Kim, der für Samsung in die Bereiche künstliche Intelligenz und immer wieder auch Gesundheitsdaten investiert. Nicht nachvollziehbar Markus Beckedahl, Chefredakteur von Netzpolitik.org fordert via Twitter einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten. Er macht klar, dass sensible Gesundheitsdaten nur dann in ausreichendem Maß bereitgestellt würden, wenn Menschen vertrauen könnten: » Einfach drauf schreiben «Vertraut uns» reicht da nicht. « Mittlerweile wurde bekannt, dass es sich bei der Datenspende-App nicht um eine quelloffene App handelt. Daher kann technisch zunächst nicht nachvollzogen werden, ob Daten aus der App noch anderweitig genutzt werden.

    18 min
  6. 04/04/2020

    Mit Apps gegen die Pandemie

    In vielen europäischen Ländern kommen immer mehr App-Konzepte in die Diskussion oder sie kommen bereits zum Einsatz. Das Ziel der Apps: Die Infektionskette nachzuverfolgen und Kontaktpersonen isolieren, um eine Weitergabe des Virus zu verhindern. Kritiker von App-Lösungen zur Eindämmung der Pandemie warnen jedoch, denn oft werden Daten herangezogen, die mit der Erkrankung eigentlich nichts zu tun haben. Als Vorbild wird immer wieder auch Südkorea genannt. Doch gerade dort werden Datenquellen oft auch ohne Einwilligung der Betroffenen ausgewertet. Neben Kreditkartendaten kommen auch Bilder aus Überwachungskameras zum Einsatz. In Deutschland orientiert sich vor allem der CDU-Wirtschaftsrat am südkoreanischen Modell und spricht sich gegen eine freiwillige App aus. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, sagte der »FAZ«: »Für diese Ausnahmesituation müssen wir das Datenschutzrecht verändern.« Der Rat plädiert für einen verpflichtenden Einsatz der App »Nina«, der Notfall-Informations-App des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Ein Nachteil dieser App: Sie ist nicht quelloffen und arbeitet mit Positionsdaten der Nutzer*innen. Datenschützer und Bürgerrechtler diskutieren derzeit den Einsatz einer freiwilligen App. Aus Kreisen des Chaos-Computer-Club heißt es, man wolle die in den letzten Jahren im Bereich des Datenschutzes entwickelten Lösungen zum Einsatz bringen, um einer möglichen Zwangs-App zuvorzukommen. Auch weil die Bereitschaft zum Einsatz einer solchen App wachse, sei dies dringend erforderlich, äußerte Linus Neumann, Sprecher des CCC im Podcast Logbuch Netzpolitik. Ein Blick über die Grenzen Nutzer*innen in Österreich, die eine Corona-App nicht verwenden können oder nutzen wollen, sollen einen Schlüsselanhänger erhalten. Diesen Vorschlag äußerte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem Interview mit der Zeitung »Der Standard«. Die Corona-App sei nur eine von insgesamt drei Maßnahmen, mit denen Kurz der Krise beikommen will. Tests und die Isolierung sollen die Ausbreitung der Pandemie unter Kontrolle bringen. Am Montag will Kurz einen »Fahrplan« präsentieren, nach dem Wirtschaft und Handel wieder hochgefahren werden können. Kurz sagte im Interview, die österreichische Bundesregierung habe noch nicht über eine verpflichtende Nutzung der Corona-App entschieden, doch »Die Mehrheit der Österreicher befürwortet diese Initiative«. Die Opposition setzt auch in Österreich auf die freiwillige Nutzung einer Corona-App. In Polen geht der Einsatz von Handy-Apps noch einen Schritt weiter. Hier müssen erkrankte oder in Quarantäne befindliche Personen eine App verwenden, die mehrmals am Tag dazu auffordert, ein Selfie zu erstellen, mit dem belegt wird, dass sich die Person noch am Quarantäne-Ort befindet. Erfolgt der Upload des Selfies zu spät oder gar nicht, drohen Strafzahlungen. Big-Data auf dem Vormarsch In den USA werden die Dienste des Unternehmens Palantir herangezogen, um beispielsweise No-go-Areas, zur definieren, die Pandemieausbreitung zu verfolgen und Beatmungsgeräte im Land umzuverteilen. Nachdem bekannt wurde, dass das US-Unternehmen ein Angebot zur kostenlosen Hilfe an mehrere europäische Länder abgegeben hat, ist die Kritik groß. In Europa kommt Palantir derzeit in Griechenland und in Großbritannien zum Einsatz. Beim Einsatz von Big-Data-Unternehmen muss davon ausgegangen werden, dass vermeintlich private Informationen über die Erkrankung deanonymisiert werden können. Dies ist in Kombination mit Daten aus anderen Quellen wahrscheinlich. Palantir ist durch seine Kooperationen mit den Organen der US-Regierung, wie NSA, CIA, FBI und allen Bereichen des US-Militärs integraler Bestandteil der US-Sicherheitsarchitektur. Auch in Deutschland laufen Projekte mit den Polizeien in Hessen und NRW . Ob ein Einsatz in Deutschland geplant ist oder ein Angebot vorliegt, war zunächst nicht bekannt. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte: »Es gibt keine Pläne, mit der Firma zusammenzuarbeiten.« Es habe in den letzten sechs Monaten keine Kontakte zur Firma gegeben. Prinzipiell würde man allerdings keinerlei Auskünfte zum Softwareeinsatz bei Sicherheitsbehörden geben. Palantir ist nach Recherchen der »Zeit« jedoch in der Vergangenheit bereits in Projekten mit dem Bundesnachrichtendienst eingesetzt worden. Alexander Karp, Firmengründer und Geschäftsführer von Palantir, unterhält starke Beziehungen nach Deutschland. 2011 kooperierte das Software-Unternehmen SAP mit Palantir. Auch eine Kooperation mit der Telekom gab es, jedoch will sich das Unternehmen nicht zu Details äußern. Karp sitzt im Aufsichtsrat der Axel Springer SE sowie im Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenzen.

    45 min

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Die Menge an Daten wächst so kontinuierlich wie die Ideen für ihre Nutzung. Was zunächst sinnvoll scheint, enthält oft Missbrauchspotenzial. Die Corona-Pandemie mit einer App einzudämmen ist das Ziel. Was wir uns damit einhandeln, ist die Frage.