
9 episodes

zweispuriges | field recording Ulrich Habel
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- Society & Culture
Zweispuriges ist ein Projekt, welches sich damit beschäftigt die Klänge, Texturen und Töne unserer Umgebung einzufangen. Aufnahmen für das Entspannen, virtuelle Reisen und zum Träumen.
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Sonnenaufgang auf Rügen
Es ist noch früh auf der Ostseeinsel Rügen. Alle schlafen noch tief und fest. Mein Wecker klingelte heute sehr früh, ich packe meinen Thermosbecher mit Kaffee und schleiche mich auf den Strand, baue meine Mikrofone auf und warte auf den Sonnenaufgang. Ganz langsam schiebt sich die Sonne über die Horizont.
Auch wenn das frühe Licht noch nicht wärmt, stellt sich dennoch das Gefühl der Wärme und der Geborgenheit ein. Ein neuer Tag beginnt und durchflutet mich mit Licht. Auch wenn die See gar nicht so sehr aufgewühlt ist und damit eigentlich ganz still sein sollte, erzeugen die Wellen eine intensive Geräuschkulisse wenn sie auf den Strand laufen. Heute verwende ich zum ersten Mal das Lom Geofon Mikrofon. Ein Mikrofon, welches niederfrequente Töne für uns hörbar macht. Die Tonspur dieses Mikrofons werde ich später den Wellen untermischen, um ihre gewalitge Kraft hörbar zu machen. Nach 40 Minuten Aufnahme schließe ich ab - mit einem Lächeln, es war schön! Kein Hund, kein Flugzeug und kein künstlicher Lärm schleicht sich in die Mikrofone. Ich fühle mich erfrischt, hängt das mit der fehlenden (künstlichen) Geräuschkulisse zusammen? Geräusche sind genug zu hören, minutenlang fokusiere ich meine Ohren auf die verschiedenen Schallquellen. Die Möwen, die Raben, das Rauschen der Wellen, das Brechen der Wellen und das Gluggern des Wassers am Strand. Ich freue mich auf das Frühstück. Nach langer Zeit habe ich es wieder einmal nach draußen für eine Aufnahme geschafft. Warum gönnt man sich solche Momente eigentlich nicht öfter? -
Auricher Wiesen
Mittlerweile ist einige Zeit in das Land gegangen und es ist Frühling geworden. Die Sonne ist noch nicht lange am Himmel und taucht die Umgebung in ein warmes, goldenes Licht. Der Wind ist bereits schon aufgewacht und zerrt an dem Windschutz des Mikrofons.
Die Blätter in den umgebenden Bäumen rascheln aufgeregt und das Gras der Wiese wiegt sanft in dem Wind. Es ist wärmer geworden, ich baue alles auf, drücke die Aufnahmetaste und schaue verträumt auf die Wiese, die teilweise in der Morgensonne liegt. Ein Schluck am heißen Kaffee - Niedersachen in den Morgenstunden, hier im nördlichen Teil, kann schon wundervoll sein. -
Aufwachen im Kloster Ihlow
Es sollte ein weiterer Versuch der Aufnahme der Klangräume rund um das Kloster Ihlow werden. Insbesondere die Glocke hatte es mir angetan. Aus vergangenen Ausflügen wußte ich in etwa wann ich da sein wollte: 8 Uhr am Morgen. Komm mit, packe dir einen heißen Tee oder Kaffee ein und wir wachen mit dem Kloster Ihlow auf.
Klar, mal wieder kalt. Die letzten Tage kam immer mal wieder die Sonne durch und man konnte es tagsüber bei zweistelligen Temperaturen sehr gut aushalten. Heute, zum Aufnahmetag am Kloster Ihlow begrüßte mich das Expeditionsfahrzeug mit vereisten Scheiben. Prima! Mir war danach warm und die Scheiben so mitteleisfrei. Die paar Minuten zum Kloster Ihlow gingen schnell vorbei, Ostfriesland lag unter einer dicken Frostschicht. Noch war die volle Pracht der Einkristalle auf den Bäumen noch nicht zu erkennen, Sonnenaufgang sollte irgendwo um 8 Uhr morgens herum sein. Ich war das einzige Auto auf dem riesigen Parkplatz. Schnell das ganze Aufnahmezeug geschultert und los in Richtung des Klosters.
Auf dem Weg zum Kloster kommt man an einer Installation vorbei - “Friesische Freiheit” von Monika Kühling 2003. Auch wenn ich dort schon häufiger entlang ging, bleibe ich jedes mal stehen und suche mir Zeile für Zeile zusammen. Kaum ist die letzte Zeile gelesen geht es schon wieder weiter - durch einen noch schlafenden Wald. Viele der Vögel sind noch nicht auf und schlafen noch, der Trageesel ist schon wach! Nachdem ich die letzten Male direkt in dem Kloster aufgebaut hatte und von der Ergebnissen nicht ganz überzeugt war, baute ich diesmal ein paar Meter entfernt vom Kloster auf der Wiese auf.
Die Wiese war noch tief verfroren, die Kabel wurden innerhalb von kurzer Zeit vollkommen steif. Hoffentlich wird die Batterie des Recorders halten, war mein erster Gedanke. Nach kurzer Zeit war alles zusammengesteckt, die Mikrofone waren ausgerichtet, ich drückte die Aufnahme Taste und entfernte mich von der Aufnahmestelle. Ich habe gelernt, dass selbst die kleinste Bewegung ein Rascheln an der Jacke erzeugt, welches sich anschließend garantiert in der Aufnahme wiederfindet.
Endlich, die Glocke schlägt laut und deutlich, es ist acht Uhr morgens. Mit der Glocke wachen alle Vögel auf und in den nächsten Minuten darf ich einem tollen Vogel Konzert beiwohnen. Zahlreiche Spechte (3) sorgen für den erforderlich Rhythmus, schlagende Äste im Wind sorgen für weitere Percussion Elemente. Leider kamen auch zu dieser Zeit immer wieder Spaziergänger vorbei, die mehr oder minder laut Moin riefen. Oder da war noch das Auto, welches zum Museumbetrieb gehört, welches um kurz vor acht ankam und wenige Sekunden nach der Glocke wieder abfahren sollte.
Ich hatte zwar ein tolles Gefühl bezüglich der Aufnahme, wußte jedoch nicht ob ich die Glocke laut und klar aufgenommen habe, ob ich die Spaziergänge werde entfernen können. Nach vielen Stunden des Editieren, Mischens und Masterings bin ich zufrieden und schließe damit ein Kapitel: Kloster Ihlow. Danke für die Momente, die ich dort erleben konnte, die Vögel, die Glocke, die ersten Sonnenstrahlen und auch danke für die kalten Füße. Es war schön nach einer langen Arbeitswoche wieder einmal rauszukommen und sich sanft von den ersten Sonnenstrahlen streicheln zu lassen. -
Mittagspause an der Schleuse Rahe
Es stürmt, mal wieder. Die Wolken treiben regenverhangen über das Land. Genauer gesagt treiben sie nicht über das Land, sie fliegen in atemberaubender Geschwindkeit vorbei. Zwischen dem Regen gibt es immer mal wieder einen Streifen blauen Himmels und ein bisschen Sonnenschein zur Entspannung. Gehen wir zusammen raus?
Gerade dann wenn der Kopf ein wenig voll ist, diverse Gedanken sich in Kreisen drehen und Gefühlen die Hand zu einem sonderbaren Ballett reichen, tut es gut sich nach draußen zu setzen und die Wolken anzusehen, das Funkeln auf dem Wasser zu beobachten. Wenn Gefühle sich nach vorne drängen und Positives zu Negativem wird, lohnt es sich das draußen zu genießen und die Gedanken durch den Sturm forttragen zu lassen. Wie geht für mich weiter? Wie komme ich näher an das was ich tun möchte? Draußen entspannt! Ein Thermobecher Kaffee hilft gegen die Kälte, die versucht durch alle Ritzen unter die Kleidung zu kriechen. Die Sonnenstrahlen tragen Wärme hinein auch wenn es mehr das Gefühl als die Wahrheit ist. In diesem Momenten kann man an jemanden denken, wenn man dabei in Richtung der Sonne blickt, können zwei Menschen an unterschiedlichen Orten in Richtung der Sonne schauen - auch wenn 1000 Kilometer dazwischen liegen.
Die Mittagspause neigt sich dem Ende - die letzten Träume werden vom Wind fortgetragen, der Kanal ist immer noch mit kleinen Wellen bedeckt, die Kälte gewinnt langsam die Oberhand. Danke für die Zeit, für das Träumen mit geschlossenen Augen. Die Sonne im Gesicht, die Gedanken frei und mit den Ohren mittendrin. Hörst du es? Das Rauschen der Bäume rechts neben dir, die Schreie der Enten und Möwen, das Plättschern des Wasser aus der Schleuse auf deinem linken Ohr? Kommt mit, wir gehen noch einmal los - diesmal ganz achtsam und hören genau zu! -
Sturm Nadia zieht über das Land
Der Sturm Nadia hat mittlerweile die deutsche Nordseeküste erreicht und beginnt hier sein Unwesen zu treiben. Zahlreiche Äste und teilweise Baumkronen sind auf die Straße gestürzt und behindern den Verkehr. Es ist die Zeit im Jahr sich im Wintergarten oder einem Unterstand mit einem heißen Tee zurückzuziehen und den Geräuschen des Sturms zu lauschen.
Es windet - nein, eigentlich stürmt es. Es ist ein bisschen diese Zeit wo man sich vielleicht die Zeit nehmen sollte spazieren zu gehen. Auch weil es draußen so ungemütlich ist. Sich einmal ordentlich durchpusten zu lassen. Nach dem Motto: Innen schön warm, aber im Gesicht war es doch ganz schön kalt, kann man prima durch die Gegend stapfen. Egal ob das durch den Schnee, über die Wiese oder am Deich ist auf den die Nordsee brandet, spazierengehen und dieses Wetter zu geniessen ist eine Kunst. Man muss die Ruhe dazu finden. Genießen, sich entspannen, sich beruhigen. Am schönsten ist dann die dampfende Tasse Tee, die man in den klammen Händen hält und sich daran die Finger wärmt. Was brauchen wir noch zum Glücklichsein in solchen Momenten? Einen Lehnstuhl oder auch einen Schaukelstuhl, manche von uns den passenden Blick nach draußen und idealerweise eine Katze auf dem Schoß (letztere kann optional sein). Und dann ganz langsam, dann wenn die Wärme beginnt wieder durch einen hindurchzuziehen, der Tee von innen wärmt, werden die Augenlieder schwer und wir hören dem Sturm zu. Hörst du das Knarren der Balken, den Moment wenn der Sturm wieder tief Luft holt und über das Feld pustet? -
Meereswellen und -rauschen am Grossen Meer
Aufstehen, raus aus den Federn! Es nieselt schon wieder. Natürlich! Warum auch nicht, schließlich will ich etwas draußen aufnehmen. Heute soll die Tour zum “Großes Meer” gehen. Das Grosses Meer ist ein Binnenmeer im Dreieck Emden, Aurich und Leer. Der Wind soll mir entgegenkommen und nicht zu stark sein. Das verspricht eine Aussicht auf eine Aufnahme mit kleinen Wellen, die auf den Strand laufen oder gegen eine Spundwand schlagen.
Wischer an, Wischer aus - vielleicht sollte ich mir ein Hobby mit Sonnenschein suchen. Also eins mit garantiertem Sonnenschein. Auf dem Parkplatz ist nicht los. Gar nichts. Ich weiß überhaupt nicht wo ich mein Auto hinstellen soll, so viele freie Parkplätze. Ich stelle mich in die erste Reihe, direkt mit Blick auf das Meer. Das Wetter hat sich nicht stabilisiert, es ist ungemütlich geworden, nur wenige Menschen sind mit ihren Hunden unterwegs. Also dann mal los, diverse Kleidungsschichten sollen den Wind fernhalten und die Wärme innen festhalten. Das hat schon immer gut geklappt - auch die Kombination der Doppelmütze. Eine sehr dünne Wollmütze unten und eine grüne/blaue Wollmütze obendrüber. Letzteres war ein Geschenk, ich bin in diese Mütze verliebt. Mit schnellen Schritten gehe ich Richtung Hundestrand und hoffe, dass ich dort alleine sein werde. Der sehr schlammige Weg verspricht, dass dort nicht viel los sein wird. Und siehe da - ich bin der Tat der Einzige, der den Weg direkt ans Ufer wagt. Quitsch, die Stiefel versinken jeweils 5 Zentimeter im Schlamm, so ein Schiet - das heißt später putzen aber wenigstens alleine. Die Mikrofone sind schnell aufgebaut, das Stativ gibt sich ob des wenigen Windes komplett unbeeindruckt und das Krümelmonster schaut brav auf den See. Sehr gut - genau so wollte ich das haben und hatte mir das vorgestellt. Kopfhörer auf und Zuhören. Es gluggert, es plätschert, ich höre das Wasser durch die Steine hindurchlaufen. Sehr gut. Dann wollen wir mal starten.
Ich versuche mich aus der Szene zu schleichen, schlurp schlurp, so wird das nichts werden. Ich entscheide mich schnelleren und lauteren Schrittes das Gelände zu verlassen und den üblichen Timer dann zu starten wenn ich weit genug weg bin. Die 20 Minuten ticken herunter und ich gehe fröhlich zurück zu meinem Rucksack mit den Mikrofonen. Momentchen mal, warum läuft denn die Anzeige nicht vorwärts sondern steht still? Na klar, ich hätte mal die Aufnahmetaste am Rekorder drücken sollen. Na prima! Also statt 20 Minuten frieren sind es nun eben 40 Minuten frieren geworden. Hilft aber halt nichts - ich hoffe, dass keine Hunde kommen werden - jetzt in der zweiten Aufnahme Session. Ein paar Fotos später sind die 20 Minuten vergangen und ich kehre zurück, diesmal hat alles geklappt. Hunde und Besucher sind ferngeblieben, überhaupt sollte ich heute keinen mehr sehen. Nur ein paar Meter weiter liegt der nächste Aufnahmespot. Dieser ist ein wenig windgeschützter, dennoch soll mir nicht mehr richtig warm werden. Ich freue mich als auch diese Aufnahme im Kasten ist und gehe mit schnellen Schritten zurück zu meinem Ü-Wagen. Der Regen wird vom Wind wieder gegen die Scheiben gepeitscht. Es ist mir egal, ich sitze im Auto, schaue auf das Meer und trinke einen heißen Tee. Langsam zieht auch die Wärme wieder durch mich durch. Was ein Tee alles bewirken kann.