Le Mot

Christian Schäfer
Le Mot

Die Geschichte französischer Wörter - Jeden Monat neu in der Sendung "Francophonies" bei Radio Z Nürnberg.

  1. 20/09/2023

    le verre Gigogne

    Francophonies auf Radio Z vom 20.09.2023 -- le verre Gigogne Vor genau einem Jahrzehnt, im September 2013, startete ich als junger Hochschulabsolvent ins Berufsleben. Mit einem Einjahresvertrag ausgestattet, genauer gesagt einem Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung, ging es für mich nach Frankreich. Mein Ziel: In Schulen die deutsche Sprache und Kultur bewerben. Ich war Teil des Programms "DeutschMobil", das darauf abzielte, möglichst viele junge Französinnen und Franzosen von Deutsch als Fremdsprache zu überzeugen.  Auf meiner Reise mit dem "DeutschMobil" besuchte ich über hundert Schulen, von der Schweizer Grenze bis zu den Schlössern der Loire, quer durch die Regionen Franche-Comté, Burgund und Centre. Die Schulen waren vielfältig, mal groß, mal klein, städtisch oder ländlich, aber fast alle hatten etwas gemeinsam: In den Schulkantinen wurden mir nach getaner Arbeit fast immer dieselben kleinen Gläser angeboten. Diese Gläser, wie ich heute weiß, heißen "verre Gigogne" und sind ein Modell der französischen Firma Duralex. Duralex brachte dieses Glas 1946 auf den Markt. Es galt als äußerst stabil, manche behaupteten sogar, es sei unzerstörbar. Dank seiner stapelbaren Form war es das ideale Glas für die Schulkantine und wurde von Bildungseinrichtungen tausendfach bestellt. Die "verre Gigogne" begleiteten Generationen von Schülerinnen und Schülern und wecken heute bei vielen Erwachsenen nostalgische Erinnerungen an eine unbeschwerte Zeit. Ein besonderer Spaß war das kleine Spiel mit den Zahlen in den Gläsern. Jedes "verre Gigogne" trägt eine Zahl zwischen 1 und 48 im Boden. Die Kinder ermittelten damit spielerisch ihr Alter, und so konnte man von einem Tag auf den anderen um ein Jahrzehnt altern, nur um am nächsten Tag wieder 20 Jahre jünger zu sein. Diese Zahlen sind übrigens nicht für die Kinder gedacht, sondern markieren die Form, aus der das Glas stammt. Die Nummern 49 und 50 kriegen Kinder übrigens nie zu Gesicht, da sie der Qualitätskontrolle dienen und nicht verkauft werden. Die Duralex-Gläser sind mittlerweile zu wahren Ikonen geworden. Sogar Fußballstars von Real Madrid sollen sich 1956 auf dem Weg zum Europapokal-Finale in Paris mit Duralex-Gläsern ausgestattet haben. Ob Legende oder nicht, es zeigt, wie populär die Marke und ihre Gläser sind, sogar über Frankreich hinaus. Auch in der Filmwelt sind Duralex-Gläser präsent. In „Skyfall“ trinkt James Bond aus einem Duralex Picardie-Glas. Wahrscheinlich ist das die einzige Gemeinsamkeit zwischen Daniel Craig und mir. Denn tatsächlich habe ich im Küchenschrank auch einige Exemplare des Picardie-Modells stehen. Aber 007 ist nicht der einzige Abenteurer, der ein Duralex-Glas an die Lippen führte. Indiana Jones trinkt in dem Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ seinen Whisky ebenfalls aus einem Duralex-Glas. Auch Cate Blanchett in „Blue Jasmine“ und Daniel Day-Lewis in „Gangs of New York“ haben Gläser der berühmten Marke genutzt.  Trotz des Legenden-Status hat es die Marke Duralex wirtschaftlich nicht immer leicht gehabt. In der Energiekrise musste der französische Staat dem Unternehmen mit einem 15-Millionen-Euro-Kredit helfen. Doch Duralex hat es bisher immer geschafft, sich zu behaupten. Ähnlich wie das DeutschMobil. Ich gehörte zwar zum letzten Jahrgang der das Programm unter diesem Namen absolvieren durfte, aber DeutschMobil hat sich als Mobiklasse neu erfunden und besteht unter dieser Bezeichnung noch bis heute. Und so sind Anfang September wieder 12 junge Deutsche nach Frankreich entsendet worden, um dort für die Sprache des Nachbarn zu werben. Wahrscheinlich werden sie in den Kantinen, genau wie ich damals, die Gigogne-Gläser kennenlernen. Denn Qualität setzt sich halt durch.

    3 min
  2. 19/04/2023

    les noms de fleurs

    Francophonies, Radio Z, 18.01.2023 -- Mein Vater ist Botaniker und als solcher natürlich ein ausgesprochener Pflanzen- und Blumenfreund. Und um dieser Leidenschaft Ausdruck zu verleihen, hat mein Vater vor gut drei Jahrzehnten die Idee gehabt, seinen Kindern als Zweitnamen jeweils einen Pflanzennamen zu geben. Ein schöner Gedanke. Erfreulich auch, dass mein Vater kein Automechaniker war und uns so Vornamen wie Kia oder Clio erspart geblieben sind. Meine Eltern haben sich offenbar einige Gedanken bei der Namenswahl gemacht. Meine Schwester, die 1989 geboren wurde, also im Jahr des 200-jährigen Jubiläums der Französischen Revolution, nannten sie passender Weise „Marianne“, nach der Nationalfigur der Republik und dem Symbol der Revolution. Ihr floraler Zweitname lautet „Violette“, „Violette“, wie das Veilchen auf Französisch. Ich glaube, meinen Eltern war dabei gar nicht bewusst, dass die „Violette“ ebenfalls eine Verbindung zur Revolution hat, genauer gesagt zu Napoleon. Die „Violette“ soll nämlich seine Lieblingsblume gewesen sein und während seines Exils auf Elba, so wird erzählt, hätten sich seine Anhänger mit der Frage zu erkennen gegeben: „Aimez-vous les violettes ?“ - zu Deutsch „Mögen Sie Veilchen?“. Wahrheit oder Legende? In jedem Fall ein nette Anekdote. Vier Jahre nach „Marianne Violette“ bekam ich eine weitere Schwester: Isabelle. Anders als die im März geborene Marianne, die einen Frühblüher als Namen erhielt, bekam die im Juli geborene Isabelle als Blumennamen eine Pflanze, die den Sommer über blüht: „Marguerite“. Ein Name der übrigens aus dem Griechischen kommt und „Perle“ bedeutet. Tatsächlich kann das kräftige gelbe Blüteninnere diese Assoziation wecken. Das jüngste meiner Geschwister ist ein Junge geworden und das erschwerte die botanische Namensgebung etwas. Denn tatsächlich gibt es kaum männliche Blumennamen. Und so bekam mein Bruder Daniel als Zweitnamen einen Baumnamen: „Olivier“, so wie man im Französischen den Olivenbaum nennt.  Mehr Geschwister gab es dann nicht mehr, doch es hätte noch unzählige Namen gegeben, die man ihnen hätte geben können und von denen sind einige ebenfalls mit schönen Anekdoten verbunden. Wusstet Ihr zum Beispiel, dass man vom spießigen Vorgarten-Zierstrauch „Hortensie“ bis heute nicht genau weiß, warum er eigentlich so heißt? Der Botaniker Commerson, der die Pflanze beschrieb, nannte sie zunächst „Peautia Celestina“, „Peautia“, in Anlehnung an Nicole-Reine Lepeaute. Lepeaute war eine französische Astronomin und Mathematikerin, die als eine der wichtigsten Frauen und Naturwissenschaftlerinnen der Aufklärung gilt. Warum er sich allerdings anschließend entschied seine „Peautia“ doch zur „Hortensia“ umzubenennen, und das handschriftlich in seinen Aufzeichnungen korrigierte, ist bis heute nicht geklärt. (…) Ein beliebter Vorname für Mädchen in Frankreich ist „Capucine“ und es ist bei dieser Pflanze auch kein bisschen rätselhaft, warum sie so heißt. Wer sich die Blüten der Kapuzinerkresse - wie man sie in Deutschland nennt - anschaut, wird schnell verstehen, warum sie nach den spitzen Kapuzen von Mönchskutten benannt wurde. Der „Cappuccino“ soll übrigens ebenfalls nach diesen Kutten benannt worden sein, diesmal allerdings, weil die Farbe des Getränks an die der Kleidung erinnere. Doch zurück zu den Blumen und Pflanzen. Vielleicht fragt ihr euch, welchen Pflanzennamen ich selbst von meinen Eltern bekommen habe? Nun, ich bin der älteste der vier Geschwister und als ich geboren wurde, hatten meine Eltern die Idee mit den Blumennamen noch nicht gehabt. Und so bekam ich den Namen meines Patenonkels als Zweitnamen: Martial. Statt einer Blume also eine Referenz an den römischen Kriegsgott Mars. Wer mich kennt, der wird mir zustimmen, dass eine sanfte Pflanze passender gewesen wäre. Am besten allerdings eine, die man nicht allzu oft gießen muss.

    4 min

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