Francophonies, Radio Z, 18.01.2023 -- Mein Vater ist Botaniker und als solcher natürlich ein ausgesprochener Pflanzen- und Blumenfreund. Und um dieser Leidenschaft Ausdruck zu verleihen, hat mein Vater vor gut drei Jahrzehnten die Idee gehabt, seinen Kindern als Zweitnamen jeweils einen Pflanzennamen zu geben. Ein schöner Gedanke. Erfreulich auch, dass mein Vater kein Automechaniker war und uns so Vornamen wie Kia oder Clio erspart geblieben sind. Meine Eltern haben sich offenbar einige Gedanken bei der Namenswahl gemacht. Meine Schwester, die 1989 geboren wurde, also im Jahr des 200-jährigen Jubiläums der Französischen Revolution, nannten sie passender Weise „Marianne“, nach der Nationalfigur der Republik und dem Symbol der Revolution. Ihr floraler Zweitname lautet „Violette“, „Violette“, wie das Veilchen auf Französisch. Ich glaube, meinen Eltern war dabei gar nicht bewusst, dass die „Violette“ ebenfalls eine Verbindung zur Revolution hat, genauer gesagt zu Napoleon. Die „Violette“ soll nämlich seine Lieblingsblume gewesen sein und während seines Exils auf Elba, so wird erzählt, hätten sich seine Anhänger mit der Frage zu erkennen gegeben: „Aimez-vous les violettes ?“ - zu Deutsch „Mögen Sie Veilchen?“. Wahrheit oder Legende? In jedem Fall ein nette Anekdote. Vier Jahre nach „Marianne Violette“ bekam ich eine weitere Schwester: Isabelle. Anders als die im März geborene Marianne, die einen Frühblüher als Namen erhielt, bekam die im Juli geborene Isabelle als Blumennamen eine Pflanze, die den Sommer über blüht: „Marguerite“. Ein Name der übrigens aus dem Griechischen kommt und „Perle“ bedeutet. Tatsächlich kann das kräftige gelbe Blüteninnere diese Assoziation wecken. Das jüngste meiner Geschwister ist ein Junge geworden und das erschwerte die botanische Namensgebung etwas. Denn tatsächlich gibt es kaum männliche Blumennamen. Und so bekam mein Bruder Daniel als Zweitnamen einen Baumnamen: „Olivier“, so wie man im Französischen den Olivenbaum nennt. Mehr Geschwister gab es dann nicht mehr, doch es hätte noch unzählige Namen gegeben, die man ihnen hätte geben können und von denen sind einige ebenfalls mit schönen Anekdoten verbunden. Wusstet Ihr zum Beispiel, dass man vom spießigen Vorgarten-Zierstrauch „Hortensie“ bis heute nicht genau weiß, warum er eigentlich so heißt? Der Botaniker Commerson, der die Pflanze beschrieb, nannte sie zunächst „Peautia Celestina“, „Peautia“, in Anlehnung an Nicole-Reine Lepeaute. Lepeaute war eine französische Astronomin und Mathematikerin, die als eine der wichtigsten Frauen und Naturwissenschaftlerinnen der Aufklärung gilt. Warum er sich allerdings anschließend entschied seine „Peautia“ doch zur „Hortensia“ umzubenennen, und das handschriftlich in seinen Aufzeichnungen korrigierte, ist bis heute nicht geklärt. (…) Ein beliebter Vorname für Mädchen in Frankreich ist „Capucine“ und es ist bei dieser Pflanze auch kein bisschen rätselhaft, warum sie so heißt. Wer sich die Blüten der Kapuzinerkresse - wie man sie in Deutschland nennt - anschaut, wird schnell verstehen, warum sie nach den spitzen Kapuzen von Mönchskutten benannt wurde. Der „Cappuccino“ soll übrigens ebenfalls nach diesen Kutten benannt worden sein, diesmal allerdings, weil die Farbe des Getränks an die der Kleidung erinnere. Doch zurück zu den Blumen und Pflanzen. Vielleicht fragt ihr euch, welchen Pflanzennamen ich selbst von meinen Eltern bekommen habe? Nun, ich bin der älteste der vier Geschwister und als ich geboren wurde, hatten meine Eltern die Idee mit den Blumennamen noch nicht gehabt. Und so bekam ich den Namen meines Patenonkels als Zweitnamen: Martial. Statt einer Blume also eine Referenz an den römischen Kriegsgott Mars. Wer mich kennt, der wird mir zustimmen, dass eine sanfte Pflanze passender gewesen wäre. Am besten allerdings eine, die man nicht allzu oft gießen muss.