Sie gilt als die erfolgreichste Schwimmerin der Nachwendezeit, hat Gold-Medailen bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und bei Olympia abgeräumt und wir freuen uns riesig, dass sie in unserer 100. Folge zu Gast ist: Britta Steffen. An einem Freitagmorgen um 7 Uhr sitzen wir bei ihr zuhause in Pankow an ihrem Küchentisch und sprechen über ihre Erfolge - und ihre Niederlagen. Denn zweimal in ihrer Karriere war Britta Steffen für die Öffentlichkeit schon abgeschrieben, zweimal gelang ihr ein furioses Comeback. Aber, und das wird auch sehr schnell klar: Wer so weit oben an der Weltspitze schwimmt, steht unter einem enormen Druck: Druck, den sie sich selber macht, Druck, der bei großen Wettkämpfen entsteht und der Druck der Öffentlichkeit, die Erfolge sehen will und wenig Verständnis dafür hat, dass man eben nicht per Fingerschnipsen die Leistung abrufen kann, die man auch selber gern hätte. Britta ist froh, dass social media damals noch keine beziehungsweise eine wesentlich kleinere Rolle spielte: „Das hätte ich vermutlich nicht ausgehalten.“.2000 war sie das erste Mal bei Olympia dabei, als 17jährige, bei der EM 2006 in Budapest schwamm sie in der 4x100 m Freistil-Staffel so schnell wie noch keine Frau zuvor, in Peking 2008 holte sie Doppel-Gold mit olympischen Rekorden und bei der WM 2009 stellte sie in 50 m Kraul einen Weltrekord auf, der erst acht Jahre später gebrochen wurde. Nebenher absolvierte sie auch noch ein Studium als Ingenieurswissenschaftlerin. Und trotzdem galt sie in der Öffentlichkeit oft als „die Schwierige“, die Trainings-Weltmeisterin, die aber in den entscheidenden Momenten versagt. Die ihr Team in Stich lässt, so hatte es ihr Schwimm-Kollegin Franziska van Almsick vorgeworfen, als sie bei der WM 2011 in Shanghai nur 16. in den Vorläufen wurde und daraufhin alle weiteren Wettkämpfe absagte. Dabei war es „Franzi“, die die 19jährige Britta Steffen 2002 zur SG Neukölln holte, wo sie mit Trainer Norbert Warnatzsch ihre Karriere so richtig begann. Heute, am Küchentisch, kann Britta sehr befreit von all diesen Dingen erzählen, die Mentaltrainerin Friederike Janofske - mit der sie heute in einer gemeinsam Coaching-Praxis GOLT zusammenarbeitet - hat ihr schon während ihrer Karriere sehr geholfen, mit ihren eigenen Erwartungen und dem permanentem Druck besser umzugehen. Dabei kam auch noch ein ganz anderes Trauma ans Licht, der Grund für plötzliche Angstattacken, die sich Britta lange nicht erklären konnte: Als sie als Kind ihr Seepferdchen machte, war sie nämlich eines Tages im Becken unter eine Schwimmmatte geraten - und fand den Ausgang nicht mehr. Auch die ständige Debatte um ihr Gewicht ist Britta noch gut im Gedächtnis. Mehr als 60 kg bei ihrer Größe von 1,80 m durfte sie nicht wiegen, nicht immer hat sie das geschafft - dass das Gewicht auch bei Schwimmern so eine große Rolle spielt, war zumindest uns beiden nicht bewusst. 2013, mit 29 Jahren Jahren beendete Britta Steffen ihre Karriere und studierte ein weiteres Mal - diesmal Human Ressources Management. Schwimmen geht sie bis heute regelmäßig, mittlerweile auch mit ihren beiden Kindern, das jüngste kam im April 2024 zur Welt. Nach ihrer Elternzeit wird sie neben ihrer Coaching-Tätigkeit auch wieder als Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt tätig sein. Übrigens - trotz ihrer hervorragenden Leistungen hasst Britta Steffen es, im Freiwasser zu schwimmen. Mindestens eine von uns kann das sehr gut nachvollziehen!