Gipi – Geschichten aus der Provinz

SWR Kultur lesenswert - Literatur

In Gipis Comic-Welt wird es kaum je richtig hell. Meist ziehen sich hellgraue Aquarellhimmel über menschenleere Landschaften. Überhaupt ist Grau die beherrschende Farbe. Gefühlt herrscht ständig Winter, es schneit oder regnet oder ist kurz davor. Jedes Dorf, jede Stadt gleicht der nächsten. Doch so trostlos Gipis „Geschichten aus der Provinz" auf den ersten Blick wirken – sie gehören zu den eindrücklichsten in der europäischen Comic-Szene. Denn Gipi lotet gekonnt die Dimensionen von Schuld, Loyalität und vor allem Gewalt aus. Obwohl explizite Gewalt selten in den Bildern zu sehen ist.

Keine Kämpfe, aber Atmosphäre der Bedrohung 

Das gilt vor allem für sein Meisterwerk, für das Gipi 2006 den Grand Prix d'Angoulême gewonnen hat, den wichtigsten europäischen Comic-Preis: „Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte." Darin lässt er die drei Freunde Stefano, Christian und Giuliano in einem Kriegs-Italien erwachsen werden. Auch wenn in den Bildern nie Kämpfe stattfinden – die Atmosphäre der Bedrohung gräbt sich in ihr Leben und ihre Freundschaft. Erst recht, als sie sich einer Gruppe Milizionäre anschließen. Die Gewalt, die jeden Moment auszubrechen droht, bringt die Unterschiede zwischen den dreien hervor. Sie zeigt, wie stark die soziale Schicht die Sicht auf das Leben prägt.

Stefano: Du hast nie abgedrückt. Nie wirklich draufgehauen! (…) Du bist nicht wie wir. Giuliano: Wie meinst du das, ich bin nicht wie ihr? Stefano: Das weißt du. Du bist nicht wie wir. Du bist anders. Deine Familie hat Geld. Wenn du in Schwierigkeiten steckst, reicht ein Anruf und deine Probleme sind gelöst. 

Quelle: Gipi – Geschichten aus der Provinz

Verknappte Stilmittel 

Gipis Strich zeigt, wie die erfahrene Gewalt sich als Härte in Körper und Psyche einschreibt. Seine Comics beweisen, dass man dafür nicht einmal besonders realistisch zeichnen muss. Die Gesichter seiner Protagonisten umreißt er als Flächen mit wenigen Linien. Vor allem ihr Mund ist nur ein dünner, schwarzer Strich. Und doch ist jede Regung klar erkennbar. Angst, Verachtung, Ungläubigkeit - alles da. Diese Knappheit setzt sich als Stilmittel fort bis in die Dialoge und die Dramaturgie. „Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte" bleibt auch knapp 20 Jahre nach dem ersten Erscheinen ein Comic von Weltrang. Nicht alle Kurzgeschichten in diesem Band können dieses Niveau halten. „Zwei Pilze" aus dem Jahr 2005 sieht eher aus wie ein Rohentwurf. Grobe, mit schwarzem Stift hingeworfene Zeichnungen deuten an, dass es für die Hauptfigur um die Trauer nach dem Tod eines Freundes geht; um das komplizierte Verhältnis beider Männer zu den Vätern.

Racheplan nach Inhaftierung

Doch was wie ein Auftakt wirkt, endet abrupt. In sich stimmig ist dagegen „Sie haben das Auto gefunden", ein kurzer, verstörender Psycho-Thriller, der ebenso von dem lebt, was er ausspart wie von dem, was er zeigt. Genauso wie „Die Unschuldigen", ausgezeichnet mit dem Max und Moritz-Preis für den besten internationalen Comic. Wieder bewegen sich knapp und kantig gezeichnete Männer durch eine blassgraue Aquarell-Landschaft. Zwei Freunde treffen sich nach Jahren wieder. Einer von ihnen hat lange im Gefängnis gesessen. In Rückblenden, abgehoben von der Handlung als grobe Skizzen in Schwarzweiß, erfahren wir, dass damals Polizeiwillkür im Spiel war. Jetzt will der aus dem Gefängnis Entlassene Rache nehmen.

Männliche Abgründe 

Valerio: Sie stehen unter Hausarrest und sitzen gemütlich zu Hause. Sind aber keine Polizisten mehr. Die Pistolen sind futsch. Sind ganz normale Leute wie du und ich. Aber ich weiß, wo einer von ihnen wohnt. 

Quelle: Gipi – Geschichten aus der Provinz

Dann die Überraschung: Aus der Rache wird nichts. Sein Freund hat seinen kleinen Neffen dabei. Und vor dem Kind einen Mord begehen? In der Figur des Jungen gönnt Gipi seinen Män

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