Chlorgesänge

Ute Zill, Martina Schrey
Chlorgesänge

Wir sind Schwimmerinnen. Wir waren beide mal im Schwimmverein, aber das ist lange her. Bis vor kurzem schwammen wir so wie die meisten – ab und zu, wenn es gerade passt. Doch dann entdeckten wir die Jahreskarte der Berliner Bäderbetriebe – und stellten fest: Berlin hat ja über 60 Schwimmbäder! Schnell stand fest: Die durchschwimmen wir alle! Und zwar in einem Jahr. Gesagt, getan. Was uns beim Bahnen ziehen durch den Kopf geht und warum wir meinen, dass schwimmen nicht nur überlebenswichtig, sondern ein großartiges Abenteuer ist – darum geht es hier!

  1. Folge 105: Restube: Schutzhelm im Wasser

    -4 J

    Folge 105: Restube: Schutzhelm im Wasser

    Eins wollen wir gleich als erstes klarstellen: Für diese Folge haben wir weder Geld noch sonstige Vorteile bekommen. Was stimmt ist, dass uns das Teil, um das es heute geht, im Vorfeld umsonst zur Verfügung gestellt wurde. Dass wir dann aber tatsächlich mit dem Erfinder eine ganze Folge dazu machen, liegt einzig und allein daran, dass wir es ziemlich überzeugend finden. Es geht um Restube, eine bislang einzigartige Boje, die man sich zusammengefaltet in einer kleinen Tasche um den Bauch schnallen kann - beim schwimmen, segeln, angeln, kiten. Nichts baumelt herum, stört beim Schwimmen oder verfängt sich irgendwo. Gerät man in Not oder ist einfach erschöpft, kann man an einer Schnur ziehen - und innerhalb von Sekunden bläst sich die Boje auf und man kann sich daran festhalten. Wir haben sie selber getestet und sind wirklich angetan. Kleiner Hinweis, aus eigener Erfahrung: Man muss natürlich die mitgelieferte CO2-Patrone vorher anschrauben, sonst tut sich gar nichts. Aber das ist super easy. Und sollte man die Patrone doch mal vergessen haben, kann man den gelben Schlauch auch einfach mit dem Mund aufblasen. Und wenn man die Boje nicht mehr braucht, lässt man einfach die Luft raus und falltet das Teil zurück in die kleine Tasche. Erfunden hat die Restube-Boje der Maschinebauingenieur Christopher Fuhrhop, und mit dem reden wir diesmal. Die Idee kam ihm schon während seines Studiums, nachdem er bei Kite-Surfen fast ertrunken wäre. Der Gedanke: Immer etwas dabei zu haben, was einen zur Not vor dem Ertrinken rettet, aber bei der Aktivität an sich nicht weiter stört. Quasi ein Schutzhelm im Wasser. Zusammen mit einem Studienkollegen und unterstützt durch ein Stipendium probierte er viele Materialien aus, Das Ergebnis: Die Boje ist komplett PVC-frei, verwendet wird hochwertiges Nylon-TPU-Material, was dazu führt, dass die Boje auch nach dem tausendsten Mal falten nicht porös wird, so Christopher. „Man kann da sogar mit dem Auto drüber fahren und es passiert nichts“, erzählt er. Im Juni 2012 wurde die erste Restube-Boje verkauft, mittlerweile exportiert das Unternehmen nicht nur in europäische Länder, sondern auch nach Japan und in die USA. Genutzt wird die Boje zudem nicht nur von Freizeitsportlern, sondern auch bei Wettkämpfen und der professionellen Wasserrettung, beispielsweise in der Schweiz. Der Name entstand übrigens bei einem Wortspiel: rescue tube oder auch reste tube - retten und ausruhen - daraus wurde dann Restube. Uns gefällt die Boje, auch wenn man natürlich nichts damit transportieren kann und sie mit knapp 80 bis 100 Euro nicht gerade billig ist. Aber sie gibt einem schon ein sicheres Gefühl, wenn man damit unterwegs ist. Einziger Wermutstropfen: Wer mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegt und Restube samt Patronen mitnehmen will, sollte sich vorher mit der Fluggesellschaft in Verbindung setzen. Eigentlich sind die Patronen kein Problem, auch Rettungswesten sind damit ausgestattet. Aber manchmal gibt es am Check-in eben doch Ärger. Und dann sollte man die Erlaubnis besser dabei haben.

    43 min
  2. Folge 104: Die trüben Seiten des Schwimmsports

    26 FÉVR.

    Folge 104: Die trüben Seiten des Schwimmsports

    Diesmal sprechen wir mit einem Kollegen - einem Investigativ-Journalisten, vor dem sich Funktionäre, Verbände und auch Sportler in der ganzen Welt fürchten. Hajo Seppelt hat international und national maßgeblich zur Aufdeckung von Dopingvergehen beigetragen und dafür zahlreiche Preise bekommen. Angefangen hat der einstige Berliner Jahrgangsmeister im Brustschwimmen 1985 als Sportreporter beim Sender Freies Berlin, von 1992 bis 2006 war er Live-Kommentator für das ARD-Fernsehen bei Schwimmwettkämpfen, war unterwegs bei Olympia, Europa- und Weltmeisterschaften. Schon damals hat er sich mit dem Thema Doping befasst. 1997 erschien sein Film „Staatsgeheimnis Kinderdoping - Doping-Täter und -Opfer des DDR-Schwimmsports“. Das war eigentlich eher zufällig, erzählt er uns lachend im Gespräch, er sei damals verliebt gewesen in eine Kollegin, die ehemalige kanadische Leistungsschwimmerin Karin Helmstaedt, mit ihr zusammen habe er dann diesen Film gemacht. Auch wenn aus der Beziehung nichts geworden sei - das Thema Doping habe ihn nicht mehr losgelassen. Gleichzeitig kommentierte er immer noch Schwimm-Wettkämpfe - und merkte zunehmend, wie sehr ihm die reine Ergebnis-Berichterstattung auf die Nerven ging. Aus seiner Sicht gab es viel mehr zu erzählen über die Sportler - aber vor allem auch über die Geschäftemacher, Ärzte und Verbände, die am Sport verdienen. Und mitunter tatsächlich auf ALLES setzen, damit am Ende eine Medaille, ein Sieg dabei herauskommt. Auch auf Doping. Ein mitunter lebensgefährliches Mittel zum Zweck. Hajo ist ein Typ, das wurde bei unserem Gespräch sehr schnell klar - der macht, was er für richtig hält. Eine öffentlich gewordene privaten E-Mail, in der er die unkritische Sport- und Doping-Berichterstattung der ARD kritisierte, so erzählt es Seppelt, führte 2006 dazu, dass er nicht mehr von Wettkämpfen berichten durfte. Gebremst hat ihn das nicht. Beim WDR baute er eine Doping-Redaktion auf, seitdem ist er in Sportsendungen, Nachrichtensendungen und Magazinen sowie als Autor von Dokumentationen zum Thema Doping zu sehen, mittlerweile hat er auch eine eigene Produktionsfirma. Aber kann man es einem Sportler verdenken, wenn er alles versucht, um noch schneller, besser, toller zu werden? Anders als früher, sagt Seppelt, kann er den einzelnen Sportler mitunter verstehen. Der Druck sei immens, die Medien machen zusätzlich Stimmung. Viele Leistungssportler sind noch sehr jung, glauben, dass das schon alles richtig ist. Ihn ärgern vor allem die großen Verbände, die mitmachen, vertuschen und mit dem Risiko der Sportler ihr Geld verdienen. Besonders schlimm sei dies, weil auch die WADA, die internationale Anti-Doping-Agentur häufig nicht wirklich hinschaue. Dabei ist sie dafür da, Doping zu verhindern. Eigentlich, sagt Seppelt, sei Doping alles, was man dem Körper zuführt, um bessere Leistungen zu erzielen. Offiziell - und damit offiziell verboten - ist alles, was auf der Doping-Liste der Anti-Doping-Agenturen stehe, sei das nun Doping mit sauerstoffangereichertem Eigenblut, Anabolika, Hormone oder Medikamente wie Trimetazidin. Das war im April 2024 bei 23 chinesischen Schwimmern nachgewiesen worden. Angeblich hatten sie im Hotel verunreinigtes Essen zu sich genommen. Die WADA akzeptierte diese Erklärung zunächst - und Hajo zeigte in seinem Film, dass diese Begründung sehr unwahrscheinlich - aber vor allem nie wirklich überprüft worden sei. Übrigens: Wer glaubt, nur in China, Russland oder den ehemaligen Ostblockstaaten werde gedopt, der irrt. Doping im Sport gibt es überall. Im Herbst 2025 wird Hajo einen Film über Kinderdoping im Sport in aller Welt veröffentlichen. "Geheimsache Doping" heißt der Podcast, der er zusammen mit seiner Kollegin Kerstin Hermes macht. Bereits 2019 hat er das Buch „Feinde des Sports“ veröffentlicht, in dem er über die Hintergründe seiner mitunter sogar gefährlichen Arbeit berichtet. Er selbst geht mittlerweile zu keinen (Schwimm-)Wettkämpfen mehr. Den Spaß daran habe er schon lange verloren.

    55 min
  3. Folge 103: Kein Kind ist ein sicherer Schwimmer!

    19 FÉVR.

    Folge 103: Kein Kind ist ein sicherer Schwimmer!

    Wie werden Kinder wirklich zu sicheren Schwimmerinnen und Schwimmern? Die Erziehungswissenschaftlerin Ivy Podubrin ist sicher: Eher nicht durch herkömmliche Schwimmkurse, in denen manche Kinder mehr Ängste entwickeln als Spaß haben. Die Erziehungswissenschaftlerin hat mehrere Wochen die Moken beobachtet, ein Volk von Seenomaden, die in Südostasien leben. Bei den Moken lernen die Kinder nicht schwimmen - und können trotzdem im Alter von 8 Jahren bis zu vier Minuten unter Wasser die Luft anhalten und bis zu 12 Meter tief tauchen. Aber nicht, weil ihnen das jemand „beibringt“ - sie lernen es von selbst, so die Erfahrung von Ivy. Sobald die Kinder der Moken laufen können, spielen sie am und im Wasser - immer unter Aufsicht, immer ohne Zwang. Die Kleinen wissen, davon ist Ivy überzeugt, dass sie einem ins Meer treibenden Gegenstand nicht einfach hinterher können - weil sie dann untergehen würden. Sie halten immer Kontakt zum Boden, auch die älteren Kinder gehen selten tiefer als bis zur Hüfte ins südchinesische Meer. Und weil sie sich so nach ihrem eigenen Tempo richten können, lernen sie irgendwann automatisch, sich im Wasser zu bewegen. Ivy haben diese und andere, ähnliche Erfahrungen so beeindruckt, dass sie es sich zu ihrer Aufgabe gemacht hat, Eltern zu zeigen, wie sie ihren Kindern Schritt für Schritt die wichtigsten Fähigkeiten für ein sicheres Schwimmerleben vermitteln. In ihrer Online-Schwimmschule erzählt sie an den Elternabenden, wie Kinder es lernen, intuitiv zu schwimmen und für jede Situation im Wasser gewappnet zu sein. Wir staunen jedenfalls darüber, wozu Kinder auch ohne Schwimmschule imstande sein können - wenn man ihnen genügend Zeit lässt, das ist Ivy wichtig. Und dass sie eben nicht nur im Schwimmbecken, sondern auch in offenen Gewässern lernen müssen, wie sie sich dort sicher bewegen. Gemeinsam mit 250 Familien hat Ivy ausprobiert, wie Kinder in nur drei bis sechs Wochen pro Jahr ganz leicht an Flüssen, Seen und Meeren in unseren Breitengraden schwimmen, tauchen und springen lernen können. Eins aber ist Ivy sehr wichtig, egal, welche Art des Schwimmenlernens man bevorzugt: Kein Kind ist ein sicherer Schwimmer! Dafür, so sagt die Forschung, braucht es 15 wichtige Kompetenzen, die man zum Teil erst im Jugendalter wirklich beherrscht. Vorher sei einfach der natürliche Spieltrieb noch so ausgeprägt, dass sich die Kinder zu leicht ablenken lasssen - und gefährliche Situationen nicht überblicken. Das hätten wir jetzt so nicht gedacht, aber Ivys Beispiele sind beeindruckend. Und auch Erwachsene gehen viel zu schnell in Seen, Flüsse oder Meere, deren Strömungen und Untiefen sie oft gar nicht einschätzen können. Deshalb: In einem Punkt hat Ivy sicher recht: Könnten wir alle wirklich sicher schwimmen, würde niemand mehr ertrinken. Das Gegenteil ist leider der Fall. Außer bei den Moken. Sie haben 2004 sogar den Tsunami überlebt.

    56 min
  4. Folge 102: Der Unbekannte am Beckenrand

    12 FÉVR.

    Folge 102: Der Unbekannte am Beckenrand

    Vermutlich haben wir uns alle schon mal gefragt, was das für Menschen sind, die im Schwimmbad auf ihren weißen oder blauen Plastikstühlen sitzen oder gemütlich am Beckenrand entlanggehen - und im Zweifel unser Leben retten. Denn auch diese haben natürlich ihre ganz eigene persönliche Geschichte. Einer von ist ist Raimund Schwabenbauer. Er arbeitet im Berliner Kombibad Seestraße und wenn er loslegt, hört man gleich, dass er kein gebürtiger Berliner ist. Auch nach Jahrzehnten in der Hauptstadt ist sein bajuwarischer Akzent unverkennbar, und vielleicht ist seine süddeutsche Mentalität auch der Grund, warum er so schnell mit den Badegästen ins Gespräch kommt. Und so kommt es auch, dass uns Raimund als Gesprächsgast von einer Schwimmerin empfohlen wurde, die hier täglich ihre Bahnen zieht. Und seine Geschichte ist wirklich außergeöhnlich. Denn eigentlich ist er Architekt. Aber der Reihe nach. Im Jahr 1958 wurde Raimund im bayrischen Nittenau bei Regensburg geboren, schon mit 13 wurde er Rettungsschwimmer, ein paar Jahre später Sporttaucher bei der heimischen Wasserwacht. Doch eigentlich wollte er Bauzeichner werden. Doch bevor es soweit war, machte der Bundesgrenzschutz ihm Mitte der 1970er Jahre ein allzu verlockendes Angebot: Sich acht Jahre zu verpflichten und das zu einem sehr guten Gehalt. Raimund schlug ein, war in Brokdorf und Gorleben im Einsatz und später bei der Sicherungsgruppe in Bonn, begleitete als Personenschützer ein Jahr lang den damaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff durch die Welt. Dabei stellte er fest, dass sein alter Berufswunsch immer noch da war. Also holte er sein Abitur nach, ging nach Berlin und studierte hier Architektur, lernte schon während dieser Zeit seine Frau kennen. Sie hat eine Werbeagentur, für die er ebenfalls tätig wurde und die die beiden bis heute betreiben. Aber das Schicksal hielt für Raimund noch weitere Zufälle bereit, sein Cousin bot ihm an, als Bauleiter in seiner Trockenbaufirma zu arbeiten. Raimund schlug ein, hier die harte Arbeit auf dem Bau, nebenher viel Kreatives in der Werbeagentur. Doch dann starb der Cousin und Raimund musste sich wieder neu orientieren. Die Trockenbau-Firma wollte er nicht übernehmen, stattdessen arbeitete er als Webdesigner, Platzwart und ein bisschen auch als Architekt bei einem Tennis-Verein. So - und wie kam er jetzt an den Beckenrand? Natürlich durch - Zufall! Vor sechs Jahren im Januar wollte seine Frau mit ihm schwimmen gehen. Doch das Schwimmbad konnte nicht öffnen - kein Personal! Das wäre doch was für dich, du bist doch Rettungsschwimmer, meinte seine Frau und stellte kurzerhand den Kontakt zu den Berliner Bäderbetrieben her. Raimund machte mit fast 60 Jahren nochmal seinen Rettungsschwimmer Silber - und los ging´s. Seither ist er im Kombibad Seestraße nicht mehr wegzudenken und praktisch täglich vor Ort. Dabei könnte er mit seinen fast 66 Jahren längst in Rente sein. Ein paar Jahre will er es aber noch machen, sagt er - und grinst. Eins ist ihm aber noch wichtig, weil er das immer wieder erlebt, wenn es zum Beispiel Gerangel auf der Schnellschwimmer-Bahn gibt, weil dort mal wieder jemand im Altdeutsch-Rücken-Stil unterwegs ist: Das müssen die Leute schon selber regeln, dafür sei er nicht zuständig. "Ich bin nicht von der Verkehrspolizei - sondern von der Feuerwehr!"

    54 min
  5. Folge 101: Bloß nicht festfrieren

    5 FÉVR.

    Folge 101: Bloß nicht festfrieren

    Folge 101: Bloß nicht festfrieren Obwohl sie es erst seit sieben Jahren macht, ist sie bereits mehrfache Weltmeisterin: Die 48jährige Tina Deeken aus Hannover steht sogar im Guiness-Buch der Rekorde, über 250, 100 und 50 m Freistil ist sie die schnellste behinderte Eissschwimmerin der Welt! Gerade erst hat sie bei der Eisschwimm-WM im italienischen Molveno wieder 7 Medaillen gewonnen, 5x Gold und 2x Silber. Das Besondere an diesen Eisschwimm-Meisterschaften: Sie sind inklusiv. Hier treten nicht wie bei Olympia erst die Schwimmer:innen und dann die Para-Schwimmer:innen an - seit 2022 wird der Wettbewerb gemeinsam ausgetragen. Über 700 Teilnehmende waren im Januar in Molveno am Start, bei Wassertemperaturen zwischen anderthalb und drei Grad. Für Tina ist das Eisschwimmen eine doppelte Herausforderung. Das linke Bein der Sonderschulpädagogin ist vollständig gelähmt, auch ihr linker Arm wird zunehmend schwächer. Bevor sie starten kann, muss sie ihre Elektroprothese abnehmen, sie braucht Hilfe, bis sie sich vom Beckenrand ins eiskalte Wasser gleiten lassen kann. Weil auch der Boden neben dem Becken Molveno eiskalt war, musste sie aufpassen, dass sie vorher im Sitzen nicht festfriert, erzählt sie lachend. Und auch im Wasser selbst muss sie vorsichtig sein: Wenn ihr linker Fuß aufgrund der Kälte nicht mehr richtig durchblutet wird, merkt sie das nicht. Und selbst wenn, könnte sie ihn nicht bewegen, damit er wieder warm wird. Doch auch wenn es jedes Mal wieder eine Überwindung für sie bedeutet, ins kalte Wasser zu rutschen - sie möchte es nicht missen. All der Schmerz, den sie an Land verspürt, ist beim Eisschwimmen für sie nicht mehr so wichtig. Ohnehin ist Wasser ihr Element: Sie geht jeden Tag um 6:30 Uhr schwimmen, vor der Arbeit - dann allerdings im warmen Wasser eines Schwimmbads, wo sie die verkrampften Muskeln der Nacht lockern kann und keine Hilfe braucht, um ins Becken zu kommen. Tina mag es nicht gern, im Mittelpunkt zu stehen und sie hat lange überlegt, ob sie 2023 die Ehrung als Behindertensportlerin des Jahres in Niedersachsen annehmen soll. Aber am Ende siegte der Gedanke, dass sie eben auch eine Botschafterin ist, wenn sie als behinderte Sportlerin bei inklusiven Wettkämpfen auftritt: Sieh her, was ich schaffe - das kannst du auch! Mit Handbike und Rennrolli macht sie zudem regelmäßig beim Triathlon mit, ist deutsche Para-Meisterin auf der Sprint- und Kurzdistanz. Wir haben in dieser Folge viel zusammen mit Tina gelacht, sie hat eine unfassbar positive Energie, das haben wir trotz Zoom-Schalte deutlich gespürt. Es ist aber auch klar geworden, wie mühsam es ist, all das zu tun, wofür sie so leidenschaftlich brennt, immer auf Hilfe angewiesen zu sein. Sie macht trotzdem weiter, hat auch für dieses Jahr schon viele Pläne - Hut ab!

    41 min
  6. Folge 100: Frühstück mit Britta Steffen

    29 JANV.

    Folge 100: Frühstück mit Britta Steffen

    Sie gilt als die erfolgreichste Schwimmerin der Nachwendezeit, hat Gold-Medailen bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und bei Olympia abgeräumt und wir freuen uns riesig, dass sie in unserer 100. Folge zu Gast ist: Britta Steffen. An einem Freitagmorgen um 7 Uhr sitzen wir bei ihr zuhause in Pankow an ihrem Küchentisch und sprechen über ihre Erfolge - und ihre Niederlagen. Denn zweimal in ihrer Karriere war Britta Steffen für die Öffentlichkeit schon abgeschrieben, zweimal gelang ihr ein furioses Comeback. Aber, und das wird auch sehr schnell klar: Wer so weit oben an der Weltspitze schwimmt, steht unter einem enormen Druck: Druck, den sie sich selber macht, Druck, der bei großen Wettkämpfen entsteht und der Druck der Öffentlichkeit, die Erfolge sehen will und wenig Verständnis dafür hat, dass man eben nicht per Fingerschnipsen die Leistung abrufen kann, die man auch selber gern hätte. Britta ist froh, dass social media damals noch keine beziehungsweise eine wesentlich kleinere Rolle spielte: „Das hätte ich vermutlich nicht ausgehalten.“.2000 war sie das erste Mal bei Olympia dabei, als 17jährige, bei der EM 2006 in Budapest schwamm sie in der 4x100 m Freistil-Staffel so schnell wie noch keine Frau zuvor, in Peking 2008 holte sie Doppel-Gold mit olympischen Rekorden und bei der WM 2009 stellte sie in 50 m Kraul einen Weltrekord auf, der erst acht Jahre später gebrochen wurde. Nebenher absolvierte sie auch noch ein Studium als Ingenieurswissenschaftlerin. Und trotzdem galt sie in der Öffentlichkeit oft als „die Schwierige“, die Trainings-Weltmeisterin, die aber in den entscheidenden Momenten versagt. Die ihr Team in Stich lässt, so hatte es ihr Schwimm-Kollegin Franziska van Almsick vorgeworfen, als sie bei der WM 2011 in Shanghai nur 16. in den Vorläufen wurde und daraufhin alle weiteren Wettkämpfe absagte. Dabei war es „Franzi“, die die 19jährige Britta Steffen 2002 zur SG Neukölln holte, wo sie mit Trainer Norbert Warnatzsch ihre Karriere so richtig begann. Heute, am Küchentisch, kann Britta sehr befreit von all diesen Dingen erzählen, die Mentaltrainerin Friederike Janofske - mit der sie heute in einer gemeinsam Coaching-Praxis GOLT zusammenarbeitet - hat ihr schon während ihrer Karriere sehr geholfen, mit ihren eigenen Erwartungen und dem permanentem Druck besser umzugehen. Dabei kam auch noch ein ganz anderes Trauma ans Licht, der Grund für plötzliche Angstattacken, die sich Britta lange nicht erklären konnte: Als sie als Kind ihr Seepferdchen machte, war sie nämlich eines Tages im Becken unter eine Schwimmmatte geraten - und fand den Ausgang nicht mehr. Auch die ständige Debatte um ihr Gewicht ist Britta noch gut im Gedächtnis. Mehr als 60 kg bei ihrer Größe von 1,80 m durfte sie nicht wiegen, nicht immer hat sie das geschafft - dass das Gewicht auch bei Schwimmern so eine große Rolle spielt, war zumindest uns beiden nicht bewusst. 2013, mit 29 Jahren Jahren beendete Britta Steffen ihre Karriere und studierte ein weiteres Mal - diesmal Human Ressources Management. Schwimmen geht sie bis heute regelmäßig, mittlerweile auch mit ihren beiden Kindern, das jüngste kam im April 2024 zur Welt. Nach ihrer Elternzeit wird sie neben ihrer Coaching-Tätigkeit auch wieder als Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt tätig sein. Übrigens - trotz ihrer hervorragenden Leistungen hasst Britta Steffen es, im Freiwasser zu schwimmen. Mindestens eine von uns kann das sehr gut nachvollziehen!

    1 h 5 min
  7. Folge 99: Die Eiserne

    22 JANV.

    Folge 99: Die Eiserne

    Folge 99: Die Eiserne Seit knapp 40 Jahren schwimmt sie regelmäßig Wettkämpfe. Das ist viel, wäre aber womöglich nicht der Rede wert. Allerdings: Maren Piskora ist 90 Jahre alt! Erst mit über 50 hat sie angefangen, bei den Masters zu schwimmen, hat überhaupt erst Delphin, Kraul und Rücken gelernt. Deshalb war für sie der größte Erfolg die Masters WM 2000 in München. Damals, mit 66 Jahren, hat sie den 3. Platz in 400 m Lagen gemacht. All die anderen Erfolge aufzuzählen würde Stunden dauern. Über 2000 Medailen hängen im Flur ihres Hauses in Gräfeling, einem Vorort von München. Ihren letzten großen Erfolg hatte sie bei den Kurzbahn-Europameisterschaften 2023 in Madeira. Mindestens dreimal war Maren Weltmeisterin im Brustschwimmen in ihrer jeweiligen Altersklasse, seit 1987 hat sie keine WM und keine EM ausgelassen. Eine Landkarte in ihrem Flur zeugt davon, wo sie überall schon war. Und auch dieses Jahr will sie unbedingt wieder unterwegs sein. Vermutlich stand uns das ein oder andere Mal der Mund offen, während wir Maren zugehört haben (doch gut, dass das hier ein Podcast ist und kein Video). Denn dass diese Frau voller Willenkraft ist, das spürt man sogar in der Videoschalte. Vor wenigen Tagen erst war sie bei 4 Grad Wassertemperatur im Starnberger See, während der Corona-Zeit hat sie auch noch das Eisschwimmen für sich entdeckt. 1946 - da war sie zwölf - hat sie sich das Brustschwimmen selber beigebracht, abgeschaut von ihrem Bruder, der sie widerwillig zum Baden mitgenommen hatte. Seit ihrer „Entdeckung“ ist sie aber nicht nur selber im Becken aktiv, in fast 30 Jahren hat Maren auch über tausend Kindern das Schwimmen beigebracht. Noch heute erkennt sie ihre einstigen Schützlinge auf der Straße. Während ihres Lehramtsstudiums in den 1950er Jahren war sie auch ein Jahr an der Deutschen Sporthochschule, wo sie nicht nur die Sportwissenschaftlerin Liselott Diem, sondern auch das Kleinkinderschwimmen kennengelernt hat. Heute geht sie dreimal die Woche 1000 Meter schwimmen, fährt mit Bus und Bahn zur Schwimmhalle. Ihren eisernen Willen behält sie, auch wenn ihr der Körper mitunter einen Strich durch die Rechnung macht. Vier Wirbelbrüche hatte sie bereits wegen starker Osteoporose, den ersten 2018 während des Trainings. Doch zwei neue Hüftgelenke und Arthrose halten sie nicht davon ab, ins Wasser zu gehen. Wenn sie mal zögert, muss sie nur auf ihre zahlreichen Medaillen schauen, sagt sie: „Das ist die Anerkennung fürs Durchhalten und Weitermachen!“ Bei Wettkämpfen will sie in Zukunft allerdings nur noch Brust schwimmen. „Die finden sonst alle, ich bin zu langsam!“

    31 min
  8. Folge 98: Botschafter der Zukunft

    15 JANV.

    Folge 98: Botschafter der Zukunft

    Diesmal sprechen wir mit dem Geschäftsführer einer Institution, unter der wir uns beide vorher nicht allzuviel vorstellen konnten: Der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen. Christian Mankel ist uns per zoom aus Essen zugeschaltet und uns wird sehr schnell klar, wie wichtig die Gesellschaft ist. Denn als Fachverband der deutschen Bäderbranche vertritt sie nicht nur die Interessen der deutschen Bäderbetriebe in der Politik, sondern hat dabei auch gesellschaftliche Entwicklungen, innovative Techniktrends und (gesundheitliche) Zukunft der Gesellschaft im Blick. Christian Mankel ist selber regelmäßiger Schwimmer, in sein Amt aber ist er durch reinen Zufall gekommen: Bei einem Badbesuch während der Coronazeit hat der Betriebswirt zufällig die Stellenanzeige gesehen - und so fanden beide zueinander. Sein großer Ehrgeiz: Klar zu machen, warum die Bäderlandschaft ein wichtiges Kulturgut ist, das man nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickeln muss - und dabei nicht nur den Kostenfaktor zu sehen. Da sind wir uns total einig - denn Bäder haben ja nun wirklich ein großes Potential: für die Gesellschaft genauso wie für die Gesundheit. Kommune 2030+ heißt deshalb das ehrgeizige Programm, das Christian zusammen mit der Deutschen Gesellschaft entwickelt hat. Super smart Bäder mit virtual reality Brillen könnte er sich in Zukunft genauso gut vorstellen wie Pop up-Pools in der Nachbarschaft. Und: Bäder sollten nicht „nur“ auf Schwimmbecken reduziert werden, findet Christian: Hier könnte man auch Bürgeramtstermine anbieten, Sportangebote machen, Treffpunkt für alle Gesellschaftsschichten und Vorreiter für digitale Entwicklungen sein, Wasserressourcen schonen und zudem auch noch zum Klimaschutz beitragen. Man dürfe nicht nur die kurzfristigen Kosten sehen, meint er, sondern müsse den langfristigen Gewinn im Auge haben: „Wir brauchen eine kommunale Transformation!“, so sein Credo. Wir lassen uns nur zu gern von seiner Begeisterung anstecken, bleiben aber trotzdem skeptisch: In Berlin wurden den Bäderbetrieben gerade 17 Millionen Euro gestrichen, die Kassen sind knapp. Und eine Bäder-Genossenschaft mag zwar in kleinen Kommunen funktionieren, wo sich alle verantwortlich fühlen - aber in der anonymen Großstadt? Schön wäre es ja!

    39 min

À propos

Wir sind Schwimmerinnen. Wir waren beide mal im Schwimmverein, aber das ist lange her. Bis vor kurzem schwammen wir so wie die meisten – ab und zu, wenn es gerade passt. Doch dann entdeckten wir die Jahreskarte der Berliner Bäderbetriebe – und stellten fest: Berlin hat ja über 60 Schwimmbäder! Schnell stand fest: Die durchschwimmen wir alle! Und zwar in einem Jahr. Gesagt, getan. Was uns beim Bahnen ziehen durch den Kopf geht und warum wir meinen, dass schwimmen nicht nur überlebenswichtig, sondern ein großartiges Abenteuer ist – darum geht es hier!

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