5 Minus

Dr. Laura Dalhaus
5 Minus

5 Minus - Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel. Das Gesundheitssystem kollabiert und das hat Konsequenzen. Darüber spreche ich mit Menschen, um Ideen und Lösungswege zu entwickeln. Denn Politik hat leider in den letzten 20 Jahren bewiesen, dass sie es aus unterschiedlichen Gründen nicht kann. Wir starten einen Versuch. https://linktr.ee/LauraDalhaus

Episodes

  1. Die Zukunft der Medizin – Digitalisierung, KI und Roboter | Mit Dr. Tobias Krick

    4D AGO

    Die Zukunft der Medizin – Digitalisierung, KI und Roboter | Mit Dr. Tobias Krick

    Wie sieht die Zukunft unserer Medizin aus? Was steht uns im Weg beim Thema Digitalisierung? Darüber diskutiert Dr. Laura Dalhaus in der neuen Folge von „5 Minus – Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel“ mit Dr. Tobias Krick. Der beschäftigt sich mit Digitalisierung und KI in Pflege und Gesundheit. Eigentlich ist er Gesundheitswissenschaftler und sieht sich ein bisschen wie ein Arzt am Gesundheitssystem. Und genau das fühlt sich gerade nicht so gut an (auch wenn Tobias dem Gesundheitssystem eine 3- statt einer 5- geben würde). Zurzeit arbeitet er mit Unternehmen, die Prozesse digitalisieren und will das Potential im Gesundheitswesen entpacken. Doch wie sieht die Digitalisierung eigentlich aus? Laura erzählt, dass in vielen Bereichen eine Digitalisierung nur bedeutet, dass sie ein Formular, das sie früher mit dem Kugelschreiber ausgefüllt hat, nun online ausfüllt, dann aber trotzdem ausdruckt und per Post wegschickt. Der Bankensektor, der allerdings ähnlich reguliert ist, macht das irgendwie besser. Liegt das am Staat, der beim Gesundheitssystem mehr mitmischt? Da passt natürlich das Thema DIGA zu, also „Apps auf Rezept“. Die Zulassung für DIGA sind sehr schwierig und die Entwicklungskosten sehr hoch. Zudem gehen 50% der Verordnungen verloren, weil der Prozess so kompliziert ist. Das ist ein Problem für die Anbieter, aber auch für die Patient:innen, die versorgt werden sollen. Auch die ePA (elektronische Patientenakte) ist nicht besonders anwenderfreundlich. Ein Bürokratieabbau ist dringend notwendig. Tobias erzählt, dass die Technologien da sind (wie man ja im Bankensektor sieht), das Problem liegt in der Umsetzung, genauso wie im Datenschutz und in der Anwenderfreundlichkeit. Er hat als einfachen Weg schon vor Augen, dass ein Gespräch mit Patient:innen einfach aufgezeichnet und dann in ein Dokumentationssystem übertragen werden kann. In 5 Jahren sieht er aber eine andere Zukunft vor uns. Laura fragt nämlich nach dem Pflegeheim der Zukunft und ob dort auch Roboter als Pflegekräfte und Pflegeunterstützung arbeiten. Tobias hat mal an so einem Roboterarm geforscht und stellt die Frage in den Raum, ob Robotik menschenähnlich sein sollte oder besser so abstrakt, dass sie halt nicht wie Menschen wirken. Servicearbeit und Sorgearbeit sieht er hier getrennt. Dann geht es noch um das Home Office und um die eigene Gesundheitskompetenz der Menschen. Denn eigentlich wissen wir ja, wie wir gesund leben, doch die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung steht oft vor der langfristigen Gesundheit. Stundenlang zur Arbeit fahren zu müssen steht aber auch im Gegensatz dazu, gesünder ist es natürlich, im Home Office auf einem Walking Pad zu arbeiten. Gleichzeitig gibt es viele Jobs, die körperlich so beeinträchtigend sind und bei denen es wenig Chancen dafür gibt, diese Arbeit gesund auszuführen. Laura appelliert zum Schluss noch an alle, die das Gesundheitssystem besser machen wollen, doch einfach mit den Menschen zu sprechen, die Ideen haben und täglich mit den Herausforderungen konfrontiert sind. LinkedIn von Tobias: https://www.linkedin.com/in/dr-tobias-krick/ Instagram von Tobias: https://www.instagram.com/tobias.krick.official/ Website von Tobias: https://www.tobias-krick.de Website von Unboxing Healthcare: https://unboxing-healthcare.de Unboxing Healthcare auf LinkedIn: a href="https://www.linkedin.com/company/unboxing-healthcare/" rel="noopener noreferrer"...

    48 min
  2. Als Ärztin in Tansania – von Krankheitsbildern, Behandlungen und Demut | Mit Andrea Morawe

    APR 2

    Als Ärztin in Tansania – von Krankheitsbildern, Behandlungen und Demut | Mit Andrea Morawe

    Wie kommt man überhaupt auf die Idee, als Ärztin in Tansania zu arbeiten? Und wie ist es, in einem Land, in dem es an Geld und medizinischer Versorgung mangelt, einen Job als Ärztin zu machen? Triggerwarnung: In dieser Folge geht es um Gewalt, Schwangerschaftsabbrüche und die schwierigen Zustände in Tansania. Wenn du dich damit nicht wohlfühlst, empfehlen wir dir, eine andere Folge zu hören! Darüber fragt Dr. Laura Dalhaus in dieser Folge Andrea Morawe aus. Die ist Hausärztin aus Köthen und war 2019 für einige Zeit in Tansania. Sie wollte nämlich wissen, wie das Gesundheitssystem woanders aussieht und ob sie im Ausland mehr tun kann als hier: Nämlich Menschen zu helfen. Deswegen ist sie mit Step Africa, einer Organisation, die selbst von einer deutschen Auswanderin geleitet ist, nach Tansania gegangen. Die Versorgung dort ist komplett anders und vor allem nicht so gerätelastig. Dort gibt es keine Micro-OPs und deswegen hat Andrea vor der Reise alte OP-Lehrbücher gelesen. Auch ihr Oberarzt hat ihr viel gezeigt. Als Andrea ankam, war sie natürlich super aufgeregt und wurde tatsächlich innerhalb der ersten Minuten schon von einer Hebamme zu sich gerufen, Andrea sollte beurteilen, wann das Kind einer Schwangeren wohl kommen würde. Die Hebamme wusste genau Bescheid, in Tansania funktioniert viel mit Erfahrung und Hands-on-Medizin. Die am weitesten verbreiteten Krankheitsbilder in Tansania sind Verbrennungen und Uterusperforationen. Die Verbrennungen kommen viel daher, dass dort über dem offenen Feuer gekocht wird, dadurch kommt es oft zu Unfällen. So ist Andrea auch zu ihrem Patenkind gekommen, das mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus eingeliefert wurde. Das Problem: Medizin wird dort im Voraus bezahlt. Wer kein Geld hat, kann nicht behandelt werden. Und natürlich bestimmt auch die Menge des Geldes die Behandlung – wie wird jemand behandelt und welche Medizin wird eingesetzt? Auflagen würden dieses System nicht verbessern, denn die Krankenhäuser sind natürlich davon abhängig, zu versorgen, auch wenn es nur für wenig Geld ist. Die Uterusperforationen kommen meistens daher, dass Abtreibungen in Tansania illegal sind. Wenn Frauen allerdings Kinder bekommen, wenn sie „noch nicht dran waren“, also beispielsweise nicht verheiratet sind, dann werden sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Für Frauen, die dort nicht finanziell unabhängig sind, ist das natürlich das Ende. Deswegen gibt es viele Abtreibungen in Tansania, die oft von Menschen durchgeführt werden, die gar keine Ahnung von Medizin haben, unter wenig sterilen Bedingungen. Die Frauen stehen unter enormem Druck und haben Angst, auf Nebenwirkungen angesprochen zu werden. Deswegen kommen sie auch nicht mit ein bisschen Nachblutungen ins Krankenhaus, sondern erst, wenn sie richtig krank sind. Als Andrea wieder in Deutschland war, war das für sie zunächst ganz schön, doch dann merkte sie auch, in was für einer Luxus-Situation wir überhaupt leben. Sie ist dadurch nachdenklicher geworden und hadert noch mehr mit dem System. Sie hätte gerne, dass Gesundheitskompetenz in der Schule gelehrt werden würde. Zu Step Africa: https://step-africa.de/ Ein Artikel über Andrea: https://www.mz.de/lokal/koethen/voller-einsatz-im-urlaub-kothener-arztin-hilft-vier-wochen-in-klinik-in-tansania-aus-1532645 Folg Laura auch hier: LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/dr-laura-dalhaus-mahm-5470b597/ Instagram: a...

    30 min
  3. Medizin zwischen Bürokratie und Verwaltungswahnsinn | Mit Enno Richter

    MAR 25

    Medizin zwischen Bürokratie und Verwaltungswahnsinn | Mit Enno Richter

    Wo liegt eigentlich der Fokus der Medizin? Auf dem Menschen oder dem Gewinn? Wieso ist das Ehrenamt so ein wichtiger Faktor in unserer Gesellschaft? Und wie führt man ein Medizinisches Versorgungszentrum gewinnbringend, legt den Fokus aber auf die Menschen? Darüber diskutiert Dr. Laura Dalhaus in der neuen Folge von „5 Minus – Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel“ mit Enno Richter. Der ist Geschäftsführer eines MVZs (Medizinisches Versorgungszentrum) und ehemaliger kaufmännischer Leiter eines Krankenhauses. Neben seiner Tätigkeit im MVZ ist er außerdem Geschäftsführer einer gemeinnützigen Palliativ-Einrichtung. Und hier funktioniert nichts ohne Ehrenamt! Außerhalb des Jobs sind sowohl Laura als auch Enno ehrenamtlich tätig. Für Laura ist das etwas Unabdingbares für unsere gesamte Gesellschaft. Enno hat einen ehrenamtlichen Verein, in dem Menschen aktiv sind, die Familien, in denen eine Person stirbt, betreuen. Das ist eine Randmedizin, die oft übersehen wird. Laura erzählt von ihrem Ehrenamt, denn sie engagiert sich in einem Handballverein. Kinder sind die Zukunft und sie findet es so wichtig, diese zu fördern und zu unterstützen, damit sie gesund groß werden. Leider fehlt Kindern aber auch die Lobby dafür. Doch wie führt man überhaupt ein MVZ? Ein MVZ muss von einem Arzt oder Krankenhaus gegründet werden. Enno selbst hat 5 MFAs, der Fokus der Einrichtung liebt auf Diabetes. Zusätzlich sind aber auch Hautärzte und Kinderärzte dort angesiedelt. Dabei ist das MVZ eine GmbH – das Wort impliziert eine beschränkte Haftung, so einfach ist das aber gar nicht. Enno hat persönlich noch eine halbe Millionen an Schulden, denn am Anfang muss man einfach in Vorleistung gehen. Keine Bank gibt einen Kredit für 25 Tausend Euro an Eigenkapital, da muss man schon selbst in die Haftung gehen. Mit dem MVZ hat Enno mehr Freiheiten als ein Krankenhaus. Trotzdem leidet auch er sehr unter Bürokratie und dem Verwaltungswahn. Denn Gesundheit ist kein freier Markt, auch wenn alle Ärzt:innen wie Unternehmer:innen behandelt werden! In der Medizin wird alles kontrolliert, gleichzeitig können diese Kontrollen im Alltag gar nicht so geleistet werden. Zudem ist man abhängig vom System. Eine gesundheitspolitische Entscheidung, die für ein halbes Jahr irgendwelche Honorare einbehält, kann zum Untergang führen. Die Medizin ist damit aus dem Fokus gerutscht. Damit sind wir auch weit weg von bedarfsorientierter Versorgung. MFAs sind super getriggert durch die Verwaltung und es liegt dadurch nah, Menschen schnell zu Chronikern zu machen, damit sie jedes Quartal die Praxis besuchen. Denn der Fokus muss auf der Abrechnung liegen, damit MVZs und Praxen überhaupt überleben. Enno erzählt dabei das Beispiel der Diabetiker – die müssen teilweise gar nicht jedes Quartal kommen, für die Abrechnung ist das aber genau gut. Krankenhäuser sind mittlerweile aufgebaut wie Unternehmen. Sie müssen Geld verdienen und der Überschuss geht nicht wieder ins Krankenhaus, sondern zahlt Gesellschafter aus. Trotzdem sind Laura Dalhaus und Enno Richter dagegen, dass das Gesundheitssystem zur Staatsmedizin wird. Viele könnten ihnen das jetzt vorhalten, England ist hierfür kein gutes Beispiel. Doch Laura ist überzeugt: Es gibt einen Mittelweg, bei dem nicht die Gewinnmaximierung, sondern ehrliche Preise und vernünftige Kostenstrukturen im Mittelpunkt stehen. Enno’s Unternehmen sind beispielsweise gemeinnützig, was betriebswirtschaftlich vielleicht nicht die beste Entscheidung ist. Andere Menschen eröffnen MVZs, um von diesen zu leben, ohne in diesen zu arbeiten. Medizinische Versorgung gehört zur Gesellschaft, genauso wie Polizei, Schulen oder die Feuerwehr. Doch welche Themen jetzt auf der politischen Agenda stehen? Wir driften gesundheitspolitisch und in der Realität immer weiter...

    58 min
  4. Leben als Landarzt - Romantik oder doch geprägt von Bürokratie? | Mit Andrea Morawe

    MAR 18

    Leben als Landarzt - Romantik oder doch geprägt von Bürokratie? | Mit Andrea Morawe

    In der neuen Folge von „5 Minus – Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel“ spricht Dr. Laura Dahlhaus mit Dr. Andrea Morawe, einer jungen Hausärztin, die mit gerade einmal 35 Jahren eine eigene Praxis in Weißhand-Gölzau, einem Ort mit weniger als 2.000 Einwohnern, übernommen hat. Während viele junge Mediziner:innen eine Karriere in der Klinik oder im MVZ bevorzugen, hat sie sich bewusst für die hausärztliche Versorgung auf dem Land entschieden – eine Entscheidung, die immer seltener wird, obwohl sie für das Gesundheitssystem essenziell ist. Andrea war ursprünglich Chirurgin, entschied sich jedoch nach der Geburt ihres Kindes für die Allgemeinmedizin, da die Vereinbarkeit von Klinikarbeit und Familie für sie nicht mehr funktionierte. Die Übernahme der Praxis war mit Unsicherheiten verbunden, aber eine spezielle Regelung in Sachsen-Anhalt, die Quereinsteiger:innen eine verkürzte Weiterbildung ermöglicht, erleichterte ihr den Wechsel. Die vorherige Praxisinhaberin gab die Praxis unter anderem auf, weil die zunehmende Digitalisierung und Bürokratisierung für sie nicht mehr zu bewältigen war – eine Herausforderung, die viele ältere Ärzt:innen zum vorzeitigen Rückzug zwingt. Als Landärztin ist Andrea für eine enorme Bandbreite an Aufgaben verantwortlich. Sie behandelt akute Infekte, chronische Erkrankungen und postoperative Wundversorgungen, muss sich aber auch um Patient:innen kümmern, die nach einem Krankenhausaufenthalt unzureichend versorgt wurden. Zusätzlich übernimmt sie Hausbesuche in einem Umkreis von bis zu 30 Kilometern, betreut Palliativpatient:innen und versorgt ein Pflegeheim sowie eine Anlage für altersgerechtes Wohnen. Trotz dieser Arbeitsbelastung empfindet sie ihre Tätigkeit als flexibler und besser mit der Familie vereinbar als die Klinikarbeit, nicht zuletzt, weil ihr Mann als Praxismanager in das Unternehmen eingestiegen ist. Doch während sie ihren Beruf liebt, sieht sie, wie schwer es ist, Nachfolger:innen für Landarztpraxen zu finden. Viele junge Ärzt:innen meiden die Niederlassung aus Angst vor der finanziellen und organisatorischen Verantwortung einer eigenen Praxis. Stattdessen wählen sie die vermeintliche Sicherheit einer Anstellung in Kliniken oder MVZs. Das führt dazu, dass immer mehr Hausärzt:innen ohne Nachfolge in den Ruhestand gehen und in vielen Regionen ein hausärztliches Vakuum entsteht. In manchen Gegenden gibt es mittlerweile nicht nur keine Hausärzt:innen mehr, sondern auch keine Fachärzt:innen oder Zahnärzt:innen. Hinzu kommt, dass sich nicht nur die ärztliche Versorgung, sondern auch die allgemeine Infrastruktur auf dem Land verschlechtert. Besonders schwierig ist die Situation bei der Kinderbetreuung. Während es früher verlässliche Betreuungsmöglichkeiten gab, schließen viele Kitas heute bereits um 16:30 Uhr, was mit den Arbeitszeiten vieler Ärzt:innen kaum vereinbar ist. Wenn dann noch Personalmangel dazukommt, müssen Eltern ihre Kinder oft früher abholen oder sich selbst um eine Betreuung kümmern – ein zusätzlicher Stressfaktor, der insbesondere Frauen in der Medizin vor große Herausforderungen stellt. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen gelingt es Andrea, ihre Praxis effizient zu organisieren. Sie versorgt rund 1.300 bis 1.400 Kassenpatient:innen pro Quartal, aber durch regelmäßige Kontrollbesuche von Chroniker:innen, postoperative Nachsorgen und Wundversorgungen liegt die tatsächliche Kontaktzahl weit über 3.000. Ohne ihr engagiertes Team wäre das kaum zu bewältigen. Eine große Erleichterung ist für sie die Digitalisierung, die von vielen älteren Ärzt:innen als Hindernis wahrgenommen wird. In ihrer Praxis setzt sie Aaron, eine KI-gestützte Telefonassistenz, ein, die bis zu 50 Anrufe gleichzeitig annehmen und vorsortieren kann. So müssen Patient:innen nicht mehr mehrfach anrufen, um durchzukommen, und das Praxisteam wird spürbar entlastet. Überraschenderweise haben sich vor allem ältere Patient:innen schnell an das System gewöhnt,...

    39 min
  5. Ärztemangel oder Arztzeit-Mangel - die Herausforderungen unseres Gesundheitssystems

    MAR 11

    Ärztemangel oder Arztzeit-Mangel - die Herausforderungen unseres Gesundheitssystems

    Haben wir wirklich einen Ärztemangel – oder liegt das eigentliche Problem in einem Mangel an Arztzeit? Darüber spricht Dr. Laura Dalhaus in der neuen Folge von “5 Minus - Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel”. Die Zahlen zeigen nämlich ein Paradox: Während immer mehr Ärzt:innen in Deutschland arbeiten – 1990 waren es noch 237.000, 2023 bereits 428.000 – haben Patient:innen trotzdem das Gefühl, schlechter versorgt zu werden. Der Grund? Die verfügbare Arztzeit pro Patient:in schrumpft. Schuld daran sind unter anderem die zunehmende Bürokratie, die immer stärkere Spezialisierung, veränderte Arbeitsmodelle und eine vollkommen veraltete Bedarfsplanung. Ein zentraler Faktor ist die immense bürokratische Belastung. Ein niedergelassener Arzt verbringt rein rechnerisch 60 volle Arbeitstage pro Jahr nur mit Papierkram – das sind Anfragen von Krankenkassen, Versicherungen und dem Medizinischen Dienst. Krankenhausärzt:innen verbringen mehr Zeit mit Dokumentation als mit Patient:innen. Kolleg:innen aus der Inneren Medizin fühlen sich oft wie medizinische Sekretäre statt wie Ärzt:innen. Obwohl die Politik seit 2013 verspricht, Bürokratie abzubauen, ist der Bürokratieindex seitdem gestiegen. Auch die fortschreitende Spezialisierung trägt zum Problem bei. Früher deckte ein Internist ein breites Spektrum an Krankheiten ab – heute gibt es allein in der Inneren Medizin elf verschiedene Fachrichtungen. Ein Kardiologe kann heute sagen: „Ich bin nicht für das ganze Herz zuständig – ich bin Rhythmologe.“ Orthopäden operieren manchmal nur noch Knie oder nur noch Schultern. Das mag medizinisch sinnvoll sein, führt aber dazu, dass Patient:innen immer mehr Zeit damit verbringen, den richtigen Spezialisten zu finden. Zusätzlich gibt es ein massives Stadt-Land-Gefälle. Während in Großstädten Praxen oft dicht beieinander liegen, gibt es in ländlichen Regionen kaum Ärzt:innen. Das Problem: Privat tätige Mediziner:innen unterliegen keiner Bedarfsplanung – sie können problemlos eine weitere Praxis in München oder Hamburg aufmachen, während auf dem Land keine ärztliche Versorgung mehr vorhanden ist. Ein weiterer entscheidender Faktor ist der steigende Frauenanteil in der Medizin. Medizinstudienplätze werden fast ausschließlich nach Abiturnote vergeben, wodurch Frauen überproportional oft einen Platz bekommen. Gleichzeitig führen Schwangerschaften und Elternzeiten zu mehr Ausfällen, und viele Ärztinnen entscheiden sich für Teilzeitmodelle. Das bedeutet, dass insgesamt mehr Köpfe nötig sind, um die gleiche Anzahl an Arztstunden abzudecken. Auch das Arbeitszeitgesetz hat große Auswirkungen. Während früher 24- oder sogar 36-Stunden-Schichten üblich waren, gibt es heute strengere Regeln – was gut ist, aber dazu führt, dass mehr Ärzt:innen gebraucht werden, um die gleiche Versorgung sicherzustellen. Das Problem: Die Arbeitsintensität in kürzeren Schichten ist gestiegen. Viele Krankenhäuser umgehen die Gesetze, indem sie „Bereitschaftsdienste“ anstelle echter Arbeitszeiten deklarieren – wodurch Ärzt:innen trotzdem volle Schichten arbeiten müssen. Ein noch größeres Problem ist die veraltete Bedarfsplanung, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erstellt wird. Die Zahlen sind oft nicht aktuell – auf den Listen stehen Ärzt:innen, die längst in Rente sind oder deren Praxen seit Jahren geschlossen sind. Außerdem berücksichtigt die Bedarfsplanung nur die Anzahl der Einwohner, nicht aber die veränderten medizinischen Bedürfnisse. Patient:innen werden immer älter und haben mehr chronische Krankheiten, was mehr Arztzeit erfordert – doch in den Berechnungen taucht das nicht auf. Ein weiterer alarmierender Punkt: 140.000 Ärzt:innen arbeiten mittlerweile außerhalb der kurativen Medizin – in Unternehmensberatung, Pharma, Journalismus oder Gesundheitsmanagement. 1990 waren es noch weniger als 20 %, heute sind es über 25 %. Das bedeutet, dass immer mehr Ärzt:innen das System verlassen, weil die...

    31 min
  6. Kinder haben keine Lobby - das zeigt sich in der Medizin | Mit Dr. Katharina Rieth

    MAR 4

    Kinder haben keine Lobby - das zeigt sich in der Medizin | Mit Dr. Katharina Rieth

    Fachkräftemangel, fehlende spezialisierte Versorgung, Bildschirmsucht und Adipositas - das ist der Alltag von Kinderärzt:innen in Deutschland. In dieser Folge von “5 Minus - Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel” diskutiert Dr. Laura Dalhaus mit Dr. Katharina Rieth.  Diese ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Kinder-Notärztin seit 2019 und berufspolitisch aktiv im Bundesvorstand des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sowie im Präventionsausschuss. Und beim Hören dieser Folge merken wir alle: Kinder haben keine Lobby, sie werden zu wenig geschützt - obwohl sie unsere Zukunft sind!  Das fängt beim Fachkräftemangel an. Denn in 2025 gehen ein Viertel der Kinderärzt:innen in Rente. Gleichzeitig gibt es zu wenig Weiterbildungsstellen und 216 unterbesetzte Kassensitze. Das liegt unter anderem auch daran, dass Kinderärzt:innen strukturell benachteiligt sind: Behandlungen, vor allem bei kleinen Kindern, dauern einfach länger als bei Erwachsenen - werden aber nicht höher vergütet.  Ein weiteres Problem ist, dass es zu wenig Forschung und spezialisierte Geräte für Kinder gibt. Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, bei denen man einfach halb so große Geräte nutzen kann oder denen man einfach halbe Tabletten geben kann.  Und dann geht es noch um die Auswirkungen des modernen und aktuellen Lebens auf Kindern. Katharina betont, dass Kinder unter 3 Jahren eigentlich gar keinen Kontakt zu Bildschirmen haben sollten. Trotzdem setzen viele Eltern ihre Kinder vor den Fernseher oder das Handy.  Gleichzeitig ist Bewegungsarmut ein Problem, Kinder können teilweise nicht rückwärts laufen oder einen Salto machen. Der Grund? Verletzungsgefahr im Sportunterricht und Helikopter-Eltern auf dem Spielplatz. Wenn Kinder nicht lernen, sich frei auf dem Spielplatz zu bewegen, fallen sie irgendwann halt runter.  Auch Übergewicht und Diabetes sind ein riesiges Problem. Laura setzt sich aktiv für eine Zuckersteuer ein.  All diese Dinge sorgen auch für steigende Zahlen von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Der Einfluss von Social Media wird dabei unterschätzt. Zudem müssen Kinder lernen, digitale Inhalte zu hinterfragen.  Die Forderungen von Katharina und Laura: Mehr Förderung der Kinder- und Jugendmedizin und mehr Weiterbildungsstellen für PädiatrieEine bessere Finanzierung von KinderarztpraxenBessere Medikamentenentwicklung für KinderStärkere Lobby und politische Vertretung von KindernMehr Fokus auf Prävention statt auf TherapieBürokratieabbau und echte DigitalisierungEine Zuckersteuer Folg Laura auch hier: LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/dr-laura-dalhaus-mahm-5470b597/ Instagram: https://www.instagram.com/lauradalhaus/ TikTok: https://www.tiktok.com/@laura.dalhaus Mehr über Laura: https://linktr.ee/lauradalhaus Unterstütz die Mission: https://www.paypal.com/paypalme/podcast5minus oder https://buymeacoffee.com/lauradalhaus Mehr über Katharina: a...

    34 min
  7. Wie finanzieren wir in Zukunft unsere Gesundheitsversorgung? Ein Appell an die Politik!

    FEB 25

    Wie finanzieren wir in Zukunft unsere Gesundheitsversorgung? Ein Appell an die Politik!

    Wie viel ist ein Menschenleben wert? Wie lange ist unser solidarisch finanziertes Sysstem noch tragfähig? Und welche Schritte muss die neue Bundesregierung nun machen? Darüber spricht Dr. Laura Dalhaus in der neuen Folge von “5 Minus - Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel”.  Dazu erklärt sie erstmal die explodierenden Kosten in der Medizin, denn laut dem Deutschen Ärzteblatt verdoppeln sich die Kosten für Krebstherapien alle 7 Jahre. Einige Medikamente kosten teilweise mehrere Millionen Dollar. Das wirft natürlich ethische und finanzielle Fragen auf: Wie viele dieser Hochpreis-Medikamente kann sich unser System leisten? Und wie und wer entscheidet, welcher Patient eine Therapie erhält?  Dazu kommen starke Strukturprobleme des deutschen Gesundheitssystems, die Laura mit dem in Spanien vergleicht.  Außerdem hängen wir stark von ausländischen Fachkräften ab - Parteien wie die AfD gehen aber davon aus, dass wir auch ohne diese klarkommen, weil wir diese Ärzte selbst “produzieren”. Der Zeitraum, bis das möglich ist, liegt auf der Hand.  Das Gesundheitssystem würde ohne Fachkräfte aus dem Ausland zusammenbrechen. Außerdem geht es um das Thema Regresse, wofür Laura die Seite “regresswatch” ins Leben gerufen hat. Dort können Ärzte ihre Regresse hochladen. Einige Onkologen berichten über Regressforderungen über 250.000 € - ein massives Risiko für alle niedergelassenen Ärzte.  Leider spielte die Gesundheitssystem kaum eine Rolle im Wahlkampf. Laura hat ganz klare Forderungen an die neue Regierung und die/den zukünftigen Gesundheitsminister:in.  Außerdem prangert sie noch die zentrale Terminvergabe an, welche die Kassenärztliche Vereinigung (KV) verfolgt. Wenn Ärzt:innen nicht mehr selbst über ihre Termine entscheiden dürfen, wird ihre Freiberuflichkeit in Frage gestellt.  Und es gibt noch ein paar Absurditäten:  Jede Person bekommt nur 9 Minuten Arztzeit im Quartal - wenn etwas länger dauert, muss es querfinanziert werden. Und warum braucht die AOK 85 Millionen Euro Werbeetat? Folg Laura auch hier: LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/dr-laura-dalhaus-mahm-5470b597/ Instagram: https://www.instagram.com/lauradalhaus/ TikTok: https://www.tiktok.com/@laura.dalhaus Mehr über Laura: https://linktr.ee/lauradalhaus  Unterstütz die Mission: https://www.paypal.com/paypalme/podcast5minus oder https://buymeacoffee.com/lauradalhaus

    28 min
  8. Notfallmedizin am Limit - Patient oder Fallnummer? | Mit Dr. Moritz Völker

    FEB 18

    Notfallmedizin am Limit - Patient oder Fallnummer? | Mit Dr. Moritz Völker

    Wie ist es, in der Notfallmedizin zu arbeiten? Welchen Herausforderungen müssen sich Notärztinnen, Notärzte und der Rettungsdienst stellen? Wie entscheidet man, welche Personen mit ins Krankenhaus kommen und welche nicht? Darüber spricht Dr. Laura Dalhaus in ihrer neuen Folge von “5 Minus - das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel” mit Dr. Moritz Völker, Notarzt und Anästhesist in Weiterbildung. Moritz ist zusätzlich in der Berufspolitik. Dort ist er eigentlich “reingerutscht”, mittlerweile aber Vorsitzender der “Jungen Ärzte” im Hartmann-Bund.  Er erzählt, dass er entgegen der Meinung vieler selten Blut an Einsatzstellen sieht, sondern oft auf sozialpflegerische oder soziale Probleme trifft.  Eine große Herausforderung: Die Notaufnahmen werden zunehmend mit Patienten belastet, die dort eigentlich nicht hingehören. Auf der anderen Seite sind die Krankenhäuser aber oft überfüllt und es gibt politisch einen Widerspruch zwischen dieser Überfüllung der Krankenhäuser und der Behauptung, es gebe zu viele Krankenhausbetten. Gleichzeitig müssen Krankenhäuser ihre Betten auch füllen, um finanziell überleben zu können. Das passt nicht zum Anspruch einer sinnvollen Versorgung.  Die ambulante Versorgung währenddessen ist nicht immer ausreichend gewährleistet und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (kurz MDK) beeinflusst durch rigide Vorgaben die Behandlungsprozesse - negativ. Medizinisch sinnvolle Entscheidungen werden dadurch überkompliziert.  Auch die Koordination zwischen stationärer und ambulanter Versorung führt zu ineffizientem Ressourceneinsatz.  Natürlich haben die beiden Ärzte aber auch Lösungen im Gepäck:  KI-basierte Triage-Systeme könnten unnötige Notfallkontakte vermeiden und Ressourcen sparen. Das Gleiche gilt, wenn Notrufleitstellen mehr Optionen hätten, als nur einen Rettungswagen zu schicken.  Außerdem wünschen sich die beiden eine stärkere Einbindung von hausärztlichen und sozialen Strukturen in die Notfallversorgung.  Vom MDK wünschen sich Ärzte weniger Überregulierung und etwas mehr Praxisnähe. Denn die bürokratischen Anforderungen fördern eine Medizin, die eher juristische Gründe verfolgt. Auch der Dokumentationsaufwand in Kliniken frisst die Zeit, die in der Patientenbetreuung sinniger wäre.  Medizin sollte nicht auf wirtschaftlichen Interessen beruhen, sondern auf dem Fokus auf den Menschen.  Folg Laura auch hier: LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/dr-laura-dalhaus-mahm-5470b597/ Instagram: https://www.instagram.com/lauradalhaus/ TikTok: https://www.tiktok.com/@laura.dalhaus Unterstütz die Mission: https://www.paypal.com/paypalme/podcast5minus oder https://buymeacoffee.com/lauradalhaus Hier findest du Moritz auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/dr-med-moritz-voelker/

    49 min

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    5 Minus - Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel. Das Gesundheitssystem kollabiert und das hat Konsequenzen. Darüber spreche ich mit Menschen, um Ideen und Lösungswege zu entwickeln. Denn Politik hat leider in den letzten 20 Jahren bewiesen, dass sie es aus unterschiedlichen Gründen nicht kann. Wir starten einen Versuch. https://linktr.ee/LauraDalhaus

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