Hypothese

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Hochschulkommunikation
Hypothese

Zugespitzt und wissenschaftsnah – das ist der „Hypothese“-Podcast der Uni Bonn. Jeden zweiten Donnerstag stellen sich renommierte Gäste einer zugespitzten Hypothese zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. Moderiert von dem Journalisten Denis Nasser wägt jeweils eine Expertin oder ein Experte den Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und gibt abschließend ein Votum ab, ob die finale Einschätzung eher in Richtung „verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als „unwahr“ bestätigt) gehen würde. Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag? Wir freuen uns, von Euch zu hören unter wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de !

  1. Prof. Dr. med. Christiane Woopen: "Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir unser Demenzrisiko wissen wollen"

    NOV 28

    Prof. Dr. med. Christiane Woopen: "Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir unser Demenzrisiko wissen wollen"

    Mehr als 1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind an einer Demenz erkrankt, davon rund 1,2 Millionen an Alzheimer. Seit einigen Jahren wird darauf hingearbeitet, mit sogenannten Biomarkern das Risiko zu ermitteln, mit dem jemand in den nächsten Jahren an Alzheimer-Demenz erkrankt. Wollen wir unser Demenzrisiko wirklich wissen? Welche Auswirkungen kann dieses Wissen haben? In der neuen Folge des Hypothese-Podcasts diskutiert die Ethikerin und Direktorin des Center for Life Ethics Prof. Dr. med. Christiane Woopen mit Moderator Denis Nasser die These “Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir unser Demenzrisiko wissen wollen.” Im Podcast der Universität Bonn geht es um die Risiken für eine Alzheimer-Demenz. In den letzten Jahren hat es hier technologische Fortschritte gegeben: Mit Hilfe sogenannter Biomarker kann man bei Menschen mit leichten kognitiven Einschränkungen das Risiko ermitteln, in den nächsten fünf bis zehn Jahren an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Das geschieht zum Beispiel durch bildgebende Verfahren, die die Gehirnstrukturen analysieren, oder durch die Untersuchung bestimmter Proteine in der Hirnflüssigkeit. Solche Tests stellen keine Diagnose dar, sondern zeigen lediglich ein Risiko auf. “Die Beratung ist von zentraler Bedeutung”, sagt die Ethikerin und Direktorin des Center for Life Ethics der Universität Bonn, Prof. Dr. med. Christiane Woopen. Schon vor der Entscheidung für oder gegen eine Testung sollte ausführlich besprochen werden, welche Konsequenzen dieses Wissen mit sich bringen kann. “Eine fundierte Beratung ist entscheidend, damit die Betroffenen eine informierte und für sie zuträgliche Entscheidung treffen können.” Viele erleben allein die Möglichkeit, sich testen zu lassen, als Stressfaktor, weil sie sich mit Fragen auseinandersetzen müssen, die ihr Leben tiefgreifend beeinflussen können. Ob man den Beruf wechseln möchte, eine Versicherung abschließen kann oder seine Lebenspläne umstellt – das Wissen um ein Risiko könne vieles beeinflussen. Man wird es wohl auch anders wahrnehmen, wenn man morgens den Schlüssel vergisst und um ein hohes Risiko für eine Demenz weiß. Zugespitzt und wissenschaftsnah Zugespitzt und wissenschaftsnah – das ist der „Hypothese“-Podcast der Uni Bonn. Jeden zweiten Donnerstag stellen sich renommierte Gäste einer zugespitzten Hypothese zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. Moderiert von dem Journalisten Denis Nasser wägt jeweils eine Expertin oder ein Experte den Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und gibt abschließend ein Votum ab, ob die finale Einschätzung eher in Richtung „verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als „unwahr“ bestätigt) gehen würde.  Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag? Wir freuen uns, von Euch zu hören unter wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de!

    28 min
  2. Dr. Alexander Rothenberg: „Profi-Fußballer sind die Elitesklaven von heute“

    NOV 14

    Dr. Alexander Rothenberg: „Profi-Fußballer sind die Elitesklaven von heute“

    Was haben Elitesklaven mit Profi-Fußballern gemein? Diese Frage hat Geschichtswissenschaftler Dr. Alexander Rothenberg in seiner Doktorarbeit am Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) der Universität Bonn untersucht. In der neuen Folge des Hypothese-Podcasts diskutiert er mit Moderator Denis Nasser die These „Profi-Fußballer sind die Elitesklaven von heute“. Wer an Sklaverei denkt, hat meist ein klares Bild vor Augen: Ein Mensch ohne Rechte, seiner Familie geraubt, missbraucht. Wohl die extremste Form von asymmetrischer Abhängigkeit, mit denen sich der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies an der Universität Bonn beschäftigt. Asymmetrische Abhängigkeiten, also Verhältnisse, in denen eine Person oder Partei mehr Macht als die andere hat, gibt es aber in verschiedenen Stufen und Ausprägungen. Mit einer solcher Formen – der Elite-Sklaverei –  hat sich Dr. Alexander Rothenberg, der inzwischen am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn arbeitet, in seiner Doktorarbeit am BCDSS beschäftigt. In der Geschichte wird der Begriff Elitesklaverei verwendet, um einen bestimmten Prozess zu beschreiben: „Immer dann, wenn kleine Kinder geraubt, verschleppt, verkauft und lange ausgebildet wurden und dann später irgendwann in hohe Positionen gelangt sind, spricht man von Elitesklaverei“, erklärt Dr. Alexander Rothenberg. Dies konnte zum Beispiel ein Palast-Eunuch sein, der irgendwann hohe Verwaltungsaufgaben übernahm oder eine Konkubine, die Mutter des Sultans wurde – und dadurch Reichtum und Macht anhäufte. In seiner Doktorarbeit hat Rothenberg untersucht, welche Strukturen in unserer heutigen Zeit ähnliche Abhängigkeitsverhältnisse aufweisen wie in der Vergangenheit: „Ich habe geschaut, wo finde ich etwas Vergleichbares wie diesen Harem? Also eine Art Akademie oder ein Ausbildungszentrum, und da ist man relativ schnell beim Sport.“  Insbesondere beim Profifußball: „Wir haben sowohl diesen langen Prozess der Ausbildung, der Isolation als Kind in diesen Akademien bis hin zum Handel mit Körpern, wo Dritte ganz massiv finanziell profitieren.“ In der neuen Folge des Hypothese-Podcast diskutiert Dr. Alexander Rothenberg mit Moderator Denis Nasser die These „Profi-Fußballer sind die Elitesklaven von heute“. Allgemeine Infos Zugespitzt und wissenschaftsnah – das ist der „Hypothese“-Podcast der Uni Bonn. Jeden zweiten Donnerstag stellen sich renommierte Gäste einer zugespitzten Hypothese zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. Moderiert von dem Journalisten Denis Nasser wägt jeweils eine Expertin oder ein Experte den Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und gibt abschließend ein Votum ab, ob die finale Einschätzung eher in Richtung „verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als „unwahr“ bestätigt) gehen würde. Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag? Wir freuen uns, von Euch zu hören unter wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de

    30 min
  3. Sigmar Gabriel zur US-Wahl: Egal, wer die Wahl gewinnt: Die USA werden keine globale Ordnungsmacht mehr sein

    OCT 31

    Sigmar Gabriel zur US-Wahl: Egal, wer die Wahl gewinnt: Die USA werden keine globale Ordnungsmacht mehr sein

    Die Universität Bonn legt ihre Podcast-Reihe „Hypothese“ neu auf. Den Start macht Ex-Außenminister und -Vizekanzler Sigmar Gabriel, der im Rahmen einer Honorarprofessur an der Universität Bonn unterrichtet und Präsident der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP), einem An-Institut der Universität Bonn, ist. Er setzt sich mit der Hypothese auseinander „Egal, wer die Wahl gewinnt: Die USA werden keine globale Ordnungsmacht mehr sein“. Moderiert von dem Journalisten Denis Nasser wägt Gabriel den Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und wird abschließend nach einem Votum gefragt, ob die finale Einschätzung eher in Richtung „verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als „unwahr“ bestätigt) geht. Im Gespräch mit Journalist Nasser zeigt Gabriel sich gewohnt meinungsstark: „Auch Kamala Harris wird für uns nicht die alten Zeiten zurückbringen. Amerika will seine Rolle als globale Ordnungsmacht immer weniger ausfüllen. Und internationale Politik mag kein Vakuum, überall, wo jemand rausgeht, geht jemand anderes rein.” Dies würden vor allem autokratische Regime und die Großmächte China und Russland nutzen. „Die einzigen, die immer draußen sind, sind die Europäer.“ Schonungslos offen geht er im Podcast der Universität Bonn auch mit eigenen Fehleinschätzungen der Vergangenheit um: „Ich gehöre zu der Politikergeneration, die sich geirrt hat im Umgang mit Putin und Russland. Wir haben das falsch eingeschätzt, wir haben gedacht, wir Deutschen wissen, wie man mit denen umgeht. Und wir haben deshalb nicht auf unsere polnischen Nachbarn gehört. Ich würde diesen Fehler ungern ein zweites Mal machen.“ Ob Sigmar Gabriel am Ende eher den „verifiziert“ oder „falsifiziert“-Knopf drückt, kann ab jetzt im Podcast „Hypothese“ der Universität nachgehört werden. Dieser ist auf der Website der Universität sowie auf allen gängigen Plattformen wie spotify, Apple, Deezer, Google und podcast.de abrufbar. Alle zwei Wochen donnerstags gibt es eine neue Folge -- mit neuem Gast und neuem Thema Allgemeine Infos Zugespitzt und wissenschaftsnah – das ist der „Hypothese“-Podcast der Uni Bonn. Jeden zweiten Donnerstag stellen sich renommierte Gäste einer zugespitzten Hypothese zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. Moderiert von dem Journalisten Denis Nasser wägt jeweils eine Expertin oder ein Experte den Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und gibt abschließend ein Votum ab, ob die finale Einschätzung eher in Richtung „verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als „unwahr“ bestätigt) gehen würde. Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag? Wir freuen uns, von Euch zu hören unter wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de

    34 min
  4. Warum wir nach Kant Rechtsstaatlichkeit für eine friedliche Welt brauchen

    APR 30

    Warum wir nach Kant Rechtsstaatlichkeit für eine friedliche Welt brauchen

    Anleitung zum ewigen Frieden Warum wir nach Kant Rechtsstaatlichkeit für eine friedliche Welt brauchen Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Überfall der Hamas auf Israel – nur zwei von vielen Konflikten, die die Welt immer wieder erschüttern. Krieg scheint in der Natur des Menschen zu liegen. Das stellte der Universalgelehrte Immanuel Kant (1724-1804) schon vor 230 Jahren fest. Und formulierte auf 100 Seiten eine Blaupause für den ewigen Frieden. Ob diese noch heute nutzbar ist und ob seine Friedenstheorie auch der Praxis standhält, das weiß Prof. Dr. Rainer Schäfer, Digitales Kant-Zentrum NRW in Bonn. Die Geißel der Menschheit war für Kant der Krieg. In den 1790er Jahren überzogen sich Fürsten, oft aus Eigennutz, mit Kriegen. Russland und Österreich kämpften gegen das Osmanische Reich, die neu gegründeten Vereinigten Staaten hatten wenige Jahre zuvor die Briten besiegt, in Frankreich radikalisierte sich die Revolution und kämpfte gegen eine monarchische Koalition. Eine kriegerische Welt, die immer wieder Tausende von Opfern forderte. Frieden gab es nur im Himmelreich. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Kant sein Werk mit einer Anekdote beginnt. „Im Vorwort schildert er, wie er an einem Wirtshaus namens ‚Zum ewigen Frieden‘ vorbeikam. Der lustige holländische Wirt hatte sie so getauft, weil sie direkt neben dem Friedhof lag“, so Schäfer. „Kant wollte eine säkularisierte Version dieses Friedens entwickeln. Also ewiger Friede auf Erden, aber durch Recht.“ Seine Friedenstheorie geht von einem feindlichen Naturzustand aus. Konflikte werden nur durch vorübergehende Waffenstillstände unterbrochen. Wie kommt man von diesem Punkt zu einer friedlichen globalen Welt? Jedenfalls nicht mit der Forderung nach vollständiger einseitiger Abrüstung, so Schäfer: "Es ist naiv zu sagen, die Staaten sollen keine Kriege mehr führen, denn in einer kriegerischen Welt können Staaten, die sich offensichtlich nicht verteidigen können, angegriffen werden, wie es zum Beispiel die Ukraine erlebt“. „Es ist also auch keine Forderung, dass die Staaten keine Kriege mehr wollen sollen. Das widerspräche auch der Kant'schen menschlichen Natur. Vielmehr sollen sie nur keine mehr führen können“, stellt Prof. Dr. Rainer Schäfer fest. Kriege untereinander müssen unmöglich gemacht, nicht nur verhindert werden. „Nur so kann dauerhafter Frieden entstehen. Und dazu bedarf es eines Rechtsstaates, den Kant in der Republik idealisiert sah, nach der alle Staaten streben.“ Während die Rechtsstaatlichkeit im Inneren durch das Staatsrecht, durch die Bindung des Staatsvolkes an den Souverän und die Gesetze legitimiert wird, stößt man bei der Übertragung auf das zwischenstaatliche Völkerrecht auf ein Problem. "Wie können Staaten koexistieren, ohne ihre Freiheit zu beschädigen, wie Kant so schön sagt".. Dazu bedarf es eines ausgefeilten Völkerrechts, das die Staaten in einem globalen, föderalen Friedensbund organisiert und gleichberechtigt nebeneinander stellt. Die Staaten werden so zu friedlichem Handeln und rechtsstaatlicher Entwicklung angehalten. Ihre zwischenstaatlichen Verträge sind vollkommen transparent. In der Realität scheint dieser normative Ansatz am Lackmustest zu scheitern. Die nach Demokratie und Europa strebende Ukraine wird vom autoritären Russland überfallen. „Wenn wir heute auf unsere Vereinten Nationen schauen, haben wir genau diesen Versuch eines Völkerbundes. Und gleichzeitig sehen wir die Gefahren, vor denen schon Kant gewarnt hat. Wenn wir uns das Verhältnis von Diktaturen zu Rechtsstaaten anschauen, dann sehen wir: Es kann nur funktionieren, wenn wir Rechtsstaaten haben. Sonst gibt es auf zwischenstaatlicher Ebene illegitime Entscheidungen von illegitimen Beteiligten. Melden Sie sich jetzt an zum 14. Internationaler Kant-Kongress vom 8. - 13. September 2024 in Bonn

    30 min
  5. Grenzen sind zufällig, aber unantastbar

    APR 18

    Grenzen sind zufällig, aber unantastbar

    Kants Weltbürgerrecht, sein Blick auf Migration und seine Bedeutung bis heuteJeder Mensch hat das Recht, ein fremdes Land zu besuchen und sich dort aufzuhalten: So lässt sich ein Kernelement des Weltbürgerrechts als „Besuchsrecht“ nach Immanuel Kant zusammenfassen. Prof. Dr. Christoph Horn vom Digitalen Kant-Zentrum Bonn erklärt den Begriff der Migration bei Kant, warum für ihn Grenzziehungen willkürlich waren und welche Schlüsse wir daraus ziehen können. Wer an Kant und Migration denkt, dem fällt der Begriff des Weltbürgertums ein. Was genau ist damit gemeint? Das Weltbürgerrecht ist ein zentraler Begriff bei Immanuel Kant. Dahinter steht die Idee, die Rechtsbeziehungen zwischen Individuen und Drittstaaten zu regeln. Er sah, dass das Völkerrecht seiner Zeit hier ein Defizit aufwies, nämlich die rechtliche Regelung von Individuen außerhalb ihres Staates. Das Weltbürgerrecht besagt, dass alle Menschen das Recht haben sollen, sich in ein fremdes Land zu begeben und sich dort unbehelligt aufzuhalten und zu betätigen. Ist das eine liberale Auffassung? In seiner politischen Philosophie vertritt Kant eher einen Republikanismus, aber er ist auch Liberaler im Sinn der Geltung unverletzlicher Grundrechte. Allerdings darf man Kant nicht einem nationalen Liberalismus zuordnen. Er lebte in einem vornationalen Zeitalter. Für ihn sind Staatsvölker willkürlich entstanden und haben nichts mit Ethnien oder Abstammung zu tun. Dasselbe gilt für Grenzen, die oft auf historischen Ereignissen oder politischen Entscheidungen beruhen, die nicht unbedingt gerecht oder moralisch gerechtfertigt sind. Gleichzeitig sind diese Grenzen unantastbar, weil es unabsehbare Folgen hätte, wenn sie beispielsweise aus ethnischen Gründen verschoben würden. Auch heute haben viele Nationalstaaten eine recht heterogene Bevölkerung, zum Beispiel Frankreich oder Spanien. Und welche Folgen es hat, wenn man Staaten nach ethnischen Gesichtspunkten formt, sah man zum Beispiel auf dem Balkan in den 90er Jahren. Deshalb ist Einwanderung für ihn relativ unproblematisch. Wie verhalten sich die Staatsvölker zueinander? Die Staatsvölker, also die Einheiten der Bevölkerung, stehen für Kant in Konkurrenz zueinander. Sie haben zwar das Recht, Menschen aufzunehmen oder abzuweisen, aber keine Motive, die sich etwa aus Leitkultur, Sprachpolitik oder religiöser Homogenität ergeben. Für Kant ist es legitim darauf zu sehen, ob die Aufnahmeländer von den Neuankömmlingen profitieren und umgekehrt. Er geht davon aus, dass es genügend aufnahmebereite Länder gibt, zu seiner Zeit etwa Nordamerika. Was hat das mit unserem heutigen Verständnis von Migration zu tun? Migration aus heutiger Sicht ist ein riesiges Thema, das zum Beispiel mit dem Klimawandel und der Bewohnbarkeit der Welt zu tun hat, mit Armut, aber auch mit politischer Verfolgung, illiberalen Gesellschaften und Kriegen wie dem in der Ukraine. Aber auch zu Kants Zeiten gab es große Migrationsströme. So verließen französische Hugenotten wegen mangelnder Glaubensfreiheit ihre Heimat. Was können wir von Kants Gedanken heute mitnehmen? Ein zentraler Gedanke ist die Loyalität gegenüber dem geltenden Recht, sofern es philosophisch verankert ist. Das heißt, es muss aus allgemeinen Vernunftgründen abgeleitet sein. Da das Recht moralisch begründet ist, ist die Loyalität ihm gegenüber unproblematisch. Sonst könnte man ja in einen anderen, gerechteren Staat auswandern. Das ist ein Grund, warum Kant einen globalen Universalstaat ablehnt: Eine Universalmonarchie kann zur Diktatur entarten. Deshalb hält er ein Recht auf Aus- und Einwanderung für fundamental. Melden Sie sich jetzt an zum 14. Internationaler Kant-Kongress vom 8. - 13. September 2024 in Bonn Alle Infos

    28 min
  6. Zwei Jahre Zeitenwende

    APR 4

    Zwei Jahre Zeitenwende

    Zwei Jahre nach der Zeitenwende: Am 27. Februar 2022 sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem zu einer Sondersitzung zusammengetretenen Deutschen Bundestag anlässlich des drei Tage zuvor begonnenen russischen Überfalls auf die Ukraine: "Die Welt danach wird nicht mehr dieselbe sein wie die Welt davor.“ Anlässlich des Jahrestages sprachen Dr. Mayssoun Zein al Din (CASSIS, Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik), Hans-Dieter Heumann (CASSIS) und Friedrich Kießling (Institut für Geschichtswissenschaften, Uni Bonn) über den Stand der angekündigten "Zeitenwende". Wie haben sich die Rolle Deutschlands in Europa und der Welt verändert? Eine Zeitenwende ist es tatsächlich im Sinne, dass Ordnungsprinzipien in Frage gestellt wurden. „Spätestens seit dem Wiener Kongress haben wir uns eine europäische Ordnung vorgestellt, in der Russland ein Partner ist“, stellt Heumann fest. „Der große Unterschied zwischen der Sowjetunion und Putins Russland ist: Die Sowjetunion war letztlich eine am Status quo orientierte Macht, Putins Russland ist eine revanchistische Macht“, so Heumann. Zugleich zieht sich die USA aus ihrer bisherigen Position immer mehr zurück. Welche Rolle kann ein Deutschland als Mitglied der NATO und Europäischen Union und zukünftig einnehmen? Zein al Din fordert ein verstärktes, selbstbewusstes Engagement. "Souveränität bedeutet nicht Autonomie oder Unabhängigkeit von Bündnissen. Souveränität bedeutet nur Handlungsfähigkeit“, stellt Zein al Din fest. „Und da haben wir durchaus auch den Anspruch, unsere Ziele strategisch zu verfolgen, unsere Nachbarregion mitzugestalten. In dieser sich neu formierenden Welt eine Rolle zu spielen, unabhängig davon, wie sich das jetzt mit Russland entwickelt, unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA ausgehen werden“. Gleichzeitig betont sie die Bedeutung des europäischen Projekt. Europäische Bündnisse seien wichtig, aber man könne auch divergierende Interessen haben, wie etwa die Rolle der Türkei zeige. „Und deshalb müssen wir uns auch die Frage stellen: Stimmen unsere Interessen immer uneingeschränkt mit den Interessen anderer Partner in der NATO überein?“ Das sei nicht immer der Fall und deswegen sei eine europäische Souveränität wichtig. Deutschland und Europa müssten weltpolitisch handlungsfähig werden. Doch wird Deutschland diesen Aufgaben und einer Führungsrolle gerecht? Kießling warf einen Blick in die Nationale Sicherheitsstrategie. „Und wenn man da reinschaut, dann ist das ein Katalog von allem.“ Es fehlten nicht nur Schwerpunkte und eine zeitliche Abfolge. Man sei auch nicht weit gekommen, wenn es um wirkliche Ziele geht, die man dann auch braucht, um diplomatisch einzugreifen oder diplomatische Initiativen zu setzen. Dr. Mayssoun Zein Al Din  ist Geschäftsführerin der Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik in Bonn und Lehrbeauftrage der RWTH Aachen im Studiengang Theologie und Globale Entwicklung sowie im Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. >>Weitere Informationen Dr. Hans-Dieter Heumann ist Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn und am CASSIS.. >>Weitere Informationen Prof. Dr. Friedrich Kießling ist seit 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn. >>Weitere Informationen

    1h 2m
  7. Der Meeresspiegelanstieg als Klima-Thermometer

    FEB 22

    Der Meeresspiegelanstieg als Klima-Thermometer

    Im Hypothesen-Podcast erklärt Prof. Dr. Jürgen Kusche, welche Auswirkungen der klimabedingte Meeresspiegelanstieg hat und wie man ihn messen kann. Dass der Anstieg des Meeresspiegels ein Zeichen für den rasch voranschreitenden Klimawandel ist, dürfte allgemein bekannt sein. Dass er auch als präziser Indikator für den Zustand des Klimasystems genutzt werden kann, weiß Prof. Dr. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation. Im aktuellen Hypothese-Podcast spricht er über seine Forschung. Seine Hypothese: Der globale Meeresspiegelanstieg - Fieberthermometer für das Klimasystem und Bedrohung für Millionen von Menschen. Laut Professor Kusche ist der Meeresspiegelanstieg eine Art Fieberthermometer für die Erde, das Aufschluss über Temperaturveränderungen und deren Auswirkungen gibt. Seit Jahrhunderten wird der Wasserstand an den Küsten mit Pegeln beobachtet. Durch die Auswertung weltweiter satellitengestützter Messungen können die Forschenden des Instituts historischen Messungen nun besser verstehen. Sie können den Meeresspiegel millimetergenau erfassen und so Veränderungen auf globaler Ebene verfolgen. Damit ist es möglich, den Meeresspiegelanstiege nicht nur als globales Phänomen zu betrachten, sondern auch regionale Unterschiede zu analysieren. Es wird bewusst von Meeresspiegeln gesprochen, da sich die diese an allen Küsten unterschiedlich entwickeln. Ein besonderer Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Integration historischer Messdaten mit modernen Satellitenmessungen. Wie das genau funktioniert und wohin die Entwicklung geht, erzählt er im Podcast. So wird es möglich, den Meeresspiegelanstieg über lange Zeiträume zu verfolgen und zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Dabei kommt auch der neue Höchstleistungsrechner „Marvin“ der Universität Bonn zum Einsatz. Die Forschungsergebnisse haben auch weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen. Wären heute alle Gletscher und Eispanzer in der Arktis und auf Grönland abgeschmolzen, stünde Bonn bereits unter Wasser. Vor allem aber Küstenregionen und Inselstaaten sind bereits heute oder in absehbarer Zukunft vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht. „Wir müssen aber damit rechnen, dass sich der globale Anstieg in den nächsten 200 bis 300 Jahren beschleunigt fortsetzt“. Die Forschungsergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von Anpassungsstrategien und den Küstenschutz. Professor Kusche betont die Notwendigkeit weltweiter Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. "Der Meeresspiegelanstieg ist ein globales Problem, das nur durch koordinierte internationale Zusammenarbeit gelöst werden kann", erklärt er. „Die Geschwindigkeit des Anstiegs war noch nie so hoch wie heute.“ Die Forschung des Instituts für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn trägt wesentlich dazu bei, unser Verständnis des globalen Meeresspiegelanstiegs zu vertiefen und die Grundlagen für wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu schaffen.

    29 min

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Zugespitzt und wissenschaftsnah – das ist der „Hypothese“-Podcast der Uni Bonn. Jeden zweiten Donnerstag stellen sich renommierte Gäste einer zugespitzten Hypothese zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. Moderiert von dem Journalisten Denis Nasser wägt jeweils eine Expertin oder ein Experte den Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und gibt abschließend ein Votum ab, ob die finale Einschätzung eher in Richtung „verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als „unwahr“ bestätigt) gehen würde. Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag? Wir freuen uns, von Euch zu hören unter wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de !

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