In aller Ruhe

In aller Ruhe

Die Krisen überschlagen und verbinden sich: Pandemie, Klima, russischer Angriffskrieg. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz stellen die Gesellschaft vor immer neue Herausforderungen. Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Es lohnt sich deshalb, aus der schnellen Aktualität und der eigenen Perspektive auf die Welt auszutreten. Philosophin, Publizistin und SZ-Kolumnistin Carolin Emcke spricht in diesem Podcast dafür mit Aktivistinnen, Autoren, Künstlerinnen oder Wissenschaftlern über politisch-philosophischen Fragen hinter aktuellen Ereignissen und sortiert mit ihnen große gesellschaftliche Debatten. Die Folgen erscheinen alle zwei Wochen ab dem 25. Februar 2023.

  1. „Absolutes Trauma“ – Golineh Atai bei Carolin Emcke über den Zwölf-Tage-Krieg

    2D AGO • SZ PLUS ONLY

    „Absolutes Trauma“ – Golineh Atai bei Carolin Emcke über den Zwölf-Tage-Krieg

    Zwölf Tage Krieg - und wie geht es jetzt weiter? Auch wenn Iran und Israel den gegenseitigen Beschuss eingestellt haben, sind viele Fragen offen. Carolin Emcke spricht in dieser Folge des Podcasts mit Golineh Atai, der Leiterin des ZDF-Studios in Kairo. Die Journalistin geht auf die Folgen der israelischen und US-amerikanischen Angriffe auf Iran ein, reflektiert die aktuelle Situation in Teheran und wägt die Chancen für einen Regimewechsel ab. Atai, geboren 1974 in Teheran, ist in Hoffenheim aufgewachsen und hat nach ihrem Studium ein journalistischen Volontariat beim Südwestrundfunk absolviert. Danach war sie unter anderem Redakteurin bei verschiedenen Fernseh-Magazinen und ARD-Korrespondentin in Ägypten und Moskau. Seit dem 1. Januar 2022 leitet Golineh Atai das ZDF-Studio in Kairo. Von dort berichtet sie für über die arabische Welt. **Hoffnung auf einen Regimewechsel? „Eigentlich kaum vorhanden“** Im Gespräch mit Carolin Emcke spricht Atai über die Rolle Irans in der Region und den Einfluss des Regimes auf Syrien und Libanon. Außerdem geht es um die völkerrechtliche Legitimität des israelischen Angriffs und die widersprüchlichen Angaben zum Ausmaß der Schäden am iranischen Atomprogramm. „Wir sind sehr schnell dabei zu sagen, dieses Regime ist geschwächt“, konstatiert Atai. „Im Inneren ist es das keinesfalls.“ Anschließend spricht die Journalistin über die Folgen für die Zivilbevölkerung und die Demokratiebewegung in Iran. Sie erläutert die gespaltene iranische Diaspora und warum ihre Hoffnung auf einen Regimewechsel „eigentlich kaum vorhanden“ ist. Auch mangele es Deutschland und der Europäischen Union an Entschlossenheit im Umgang mit dem iranischen Regime, kritisiert Golineh Atai. Sie fordert, dass die EU ihre Sanktionen gegen Iran verschärft und die finanzielle Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen ausgebaut werden sollte. Ebenso müsse die deutsche Bundesregierung Fehler im Umgang mit dem iranischen Regime aufarbeiten. **Empfehlung von Golineh Atai** Als Kulturtipp empfiehlt die Journalistin zwei Filme, die dieses Jahr beim iranischen Filmfestival in Köln vorgestellt wurden. Zum einen den in Iran produzierten Spielfilm „The Old Bachelor“, der für Atai „eine Parabel auf Iran“ ist und die Situation im Land verständlich erklärt. Das sei „sehr bitter, sehr tragisch, sehr gewaltvoll anzuschauen“. Als Zweites empfiehlt Golineh Atai den Dokumentarfilm „Impasse“, Streitgespräche innerhalb einer strenggläubigen Familie während der landesweiten Proteste für Frauenrechte. Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, David Kulessa Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: ZDF/ Bearbeitung SZ _Sie erreichen die Redaktion dieses Podcasts unter podcast@sz.de – wir freuen uns über Anregungen, Lob oder Kritik._

    1h 12m
  2. „Welt abgeschafft“ – Maja Göpel bei Carolin Emcke über die radikale Kehrtwende in der Klimapolitik

    JUN 26 • SZ PLUS ONLY

    „Welt abgeschafft“ – Maja Göpel bei Carolin Emcke über die radikale Kehrtwende in der Klimapolitik

    Die Ökonomin spricht über die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit, kritische Selbstreflexion und neue Herausforderungen für die Klimabewegung. Donald Trump hat in seinen ersten sechs Amtsmonaten einiges zerstört. Dazu gehört auch eine radikal-aggressive Umkehrung der Klimapolitik seines Vorgängers Joe Biden. Der US-Präsident und seine Maga-Bewegung bekämpfen dabei nicht nur den Umwelt- und Klimaschutz an sich, sondern stellen auch die Existenz des menschenverursachten Klimawandels infrage. Über diesen radikalen Bruch mit international anerkannten Prinzipien spricht Carolin Emcke in dieser Folge des Podcasts mit der Ökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Maja Göpel. Dabei geht es auch um die Ermüdung der Klimabewegung in Deutschland. _Sie können diese Folge mit SZ Plus hören. Sollten Sie noch kein SZ-Plus-Abo haben, so finden Sie unter sz.de/ruheplus ein exklusives Probeabo zum Testen und Weiterhören. Mit einem Abo unterstützen Sie die Arbeit der SZ-Redaktion und damit den unabhängigen Journalismus._ Göpel, geboren 1976 in Bielefeld, hat in Kassel in politischer Ökonomie promoviert. Sie war Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung und ist Autorin mehrere Bestseller über globale Transformation. Außerdem ist sie Professorin für Nachhaltigkeitstransformation an der Leuphana Universität Lüneburg und Gründerin des Netzwerks „Mission wertvoll“. **Die zentrale Macht kehrt globalen Strukturen den Rücken** Im Podcast bei Carolin Emcke spricht Maja Göpel über die Versuche der Trump-Regierung, bisherige Fortschritte im Klimaschutz rückgängig zu machen. Für die Ökonomin steckt dahinter die grundsätzliche Absicht, eine regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben. „Das war ein Riesendurchbruch nach zwei Weltkriegen zu sagen, wir fangen an, global zu denken“, sagt Göpel im Podcast. „Und jetzt ist eine ganz zentrale – oder vielleicht die zentral gestaltende – Macht dabei zu sagen: Hören wir auf damit.“ Die Ökonomin befürchtet, dass diese Angriffe auf die Klimabewegung auch in Deutschland erreichte Fortschritte untergraben, oder zumindest den Diskurs darüber zurücksetzen. Dazu kommt, dass eine generelle „Verdichtung von Krisenhaftigkeit“ das gesamtgesellschaftliche Vertrauen in Institutionen und Kooperation schwäche. Schon jetzt beobachtet Maja Göpel, dass es schwerer geworden ist, Menschen für eine gute Sache zu mobilisieren. Welche Herausforderungen sich daraus für die Klimabewegung ergeben und inwiefern sich die neue Bundesregierung in dieser Frage positionieren sollte – darüber diskutiert Maja Göpel im Podcast. **Empfehlung von Maja Göpel** Als Kulturtipp empfiehlt Maja Göpel zwei Bücher der buddhistischen Nonne Pema Chödrön, „Geh an die Orte, die du fürchtest“ und „Wenn alles zusammenbricht“. Die kanadische Schriftstellerin führe „leichtfüßig“ und „alltagssprachlich“ durch die „Herausforderungen des Menschseins“, sagt Göpel. Sie ist überzeugt, dass es vielen Menschen guttun würde, „zu verstehen, wie wir uns selbst so weit kennenlernen, dass wir in dieser irren Zeit eigene Kraftressource finden.“ Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Clara Dzemla, Johannes Korsche Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: Christian Charisius/picture alliance/dpa/Bearbeitung SZ _Sie erreichen die Redaktion dieses Podcasts unter podcast@sz.de – wir freuen uns über Anregungen, Lob oder Kritik._

    1h 25m
  3. „Vernichtungsabsicht“ – Wolfgang Kaleck bei Carolin Emcke über den Begriff des Völkermords

    JUN 12 • SZ PLUS ONLY

    „Vernichtungsabsicht“ – Wolfgang Kaleck bei Carolin Emcke über den Begriff des Völkermords

    Begeht Israel Völkermord in Gaza? Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck erläutert, welche Kriterien dafür erfüllt werden müssen – und warum er die Frage für zweitrangig hält. Wann immer Menschen Aufmerksamkeit für das Leid in Gaza fordern, steht er im Raum: der Vorwurf des Genozids. Oftmals begleitet von Unverständnis über die vermeintliche Untätigkeit von Justiz, Politik und Behörden. Über die juristischen Hürden des Völkermordbegriffes und die Situation in Gaza spricht Carolin Emcke im Podcast dieses Mal mit dem Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck. Er erklärt, wann Kriegsverbrechen tatsächlich als Völkermord bezeichnet werden können und warum er international eine Erosion des Völkerrechts befürchtet. _Sie können diese Folge mit SZ Plus hören. Sollten Sie noch kein SZ-Plus-Abo haben, so finden Sie unter sz.de/ruheplus ein exklusives Probeabo zum Testen und Weiterhören. Mit einem Abo unterstützen Sie die Arbeit der SZ-Redaktion und damit den unabhängigen Journalismus._ Wolfgang Kaleck, geboren 1960 in Mittelfranken, ist Fachanwalt für Strafrecht, unter anderem mit einem Schwerpunkt auf Menschenrechte. Er ist Generalsekretär und einer der Mitgründer des „European Center for Constitutional and Human Rights“ (ECCHR), einer gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Kaleck stieß zahlreiche Ermittlungen gegen Verantwortliche von Unrechtsregimen an, etwa in Argentinien, Syrien oder Iran. Auch vertritt er den Whistleblower Edward Snowden anwaltlich. Zudem veröffentlichte Kaleck mehrere Bücher. **Ein schwer zu beweisender Tatbestand – aber es gibt Indizien** Im Podcast erläutert der Anwalt, warum es schwer ist, die für den Tatbestand des Völkermords notwendige Vernichtungsabsicht eindeutig nachzuweisen. Deshalb dauere es oft lange, bis Gerichte zu einem eindeutigen Urteil kommen könnten. Für Menschen, die Opfer von Kriegsverbrechen geworden sind, sei das oft ernüchternd. Und trotzdem sei die gesellschaftliche Bedeutung dieser Prozesse enorm. Im Falle von Gaza, sagt Kaleck, sehe er starke Indizien dafür, dass es aufseiten Israels tatsächlich eine Vernichtungsabsicht geben könnte. Ein wesentliches Kriterium für einen Völkermord im juristischen Sinne. Dafür sprächen diverse Aussagen hochrangiger Regierungsmitglieder, sowie die massive Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Gaza und das Aushungern der Bevölkerung. Letztlich aber, sagt der Menschenrechtsanwalt, sei die Frage nach einem Völkermord zweitrangig. Denn für Kaleck steht es außer Frage, dass in Gaza mindestens Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden. Und allein das müsse ausreichen, um die internationale Staatengemeinschaft zu alarmieren. „Es gibt keine Hierarchien bei den Völkerstraftaten“, sagt der Anwalt. Mehr dazu, wie Wolfgang Kaleck die Situation in Gaza bewertet und warum er in Deutschland eine „Verwahrlosung des Diskurses“ kritisiert, hören Sie im Podcast. **Empfehlung von Wolfgang Kaleck** Als Kulturempfehlung hat Wolfgang Kaleck gleich einen ganzen Strauß an Tipps dabei. Generell sagt er, spreche es zu ihm, wenn sich Menschen künstlerisch mit Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen, „um vergangenen und aktuelles Unrecht zu bekämpfen.“ Der Menschenrechtsanwalt empfiehlt unter anderem den oscarnominierten Essayfilm „Soundtrack to a Coup d'Etat“ und den Roman „Ein von Schatten umgrenzter Raum“ von Emine Svgi Özdamar. Und: Wolfgang Kaleck spricht eine Empfehlung für das Buch „Menschenwerk“ der südkoreanischen Literaturnobelpreisträgerin Han Kang aus. Das sei ein „ein unglaubliches Werk“, das „dramatische, schwere Ereignisse auf eine poetische Art“ nahebringe. Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Clara Dzemla, Johannes Korsche Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: Nihad Nino Pušija/Bearbeitung SZ _Sie erreichen die Redaktion dieses Podcasts unter podcast@sz.de - wir freuen uns über Anregungen, Lob oder Kritik._

    1h 34m
  4. „Moderne Sklaverei“ – Sven Hilbig bei Carolin Emcke über digitalen Kolonialismus

    MAY 29 • SZ PLUS ONLY

    „Moderne Sklaverei“ – Sven Hilbig bei Carolin Emcke über digitalen Kolonialismus

    Smarte Geräte, Künstliche Intelligenz, Online-Kommunikation – unsere Gesellschaft wird immer digitaler. Doch kaum jemand weiß, dass dieser technische Fortschritt auch zu fortschreitender Ausbeutung führt. Und zwar im globalen Süden. Hier bereichern sich Tech-Konzerne, indem sie seltene Erden und Bodenschätze beanspruchen, und Menschen für einen mickrigen Lohn Datensets verarbeiten lassen. Über diese Art des digitalen Kolonialismus spricht Carolin Emcke im Podcasts mit Sven Hilbig, Digitalexperte und Mit-Autor eines Buches zu genau diesem Thema. _Sie können diese Folge mit SZ Plus hören. Sollten Sie noch kein SZ-Plus-Abo haben, so finden Sie unter sz.de/ruheplus ein exklusives Probeabo zum Testen und Weiterhören. Mit einem Abo unterstützen Sie die Arbeit der SZ-Redaktion und damit den unabhängigen Journalismus._ Hilbig, geboren 1966 in Bremerhaven, hat Rechtswissenschaft in Freiburg und Berlin studiert. In Rio de Janeiro war er Rechtsberater für die brasilianische Menschenrechtsorganisation „Global Justice“. Außerdem arbeitete bei der Heinrich-Böll-Stiftung zu verschiedenen Themen an der Schnittstelle von Ökonomie und Ökologie. Inzwischen arbeitet er bei Brot für die Welt. Hier ist er verantwortlich für die Themen Handelspolitik und Digitalisierung. Sein Buch „Digitaler Kolonialismus“, das er zusammen mit Ingo Dachwitz geschrieben hat, ist für den deutschen Sachbuchpreis nominiert. **Technischer Fortschritt verstärkt Ausbeutung - aber es könnte auch anders gehen.** Im Podcast spricht Hilbig darüber, wie sich die jahrhundertealten Strukturen des Kolonialismus in der digitalen Welt fortsetzen. Große Tech-Konzerne, insbesondere aus den USA, treiben diese Entwicklung voran. Um ihre Marktmacht auszubauen, beuten sie Ressourcen und Arbeitskraft im globalen Süden aus. „Das ist das Grundmodell, auf dem unsere globale kapitalistische Weltordnung seit 500 Jahren beruht.“ Hilbig kritisiert das „Heilsversprechen“ der Digitalisierung als Motor für die Emanzipation. Hinter diesem Mythos stünden die Interessen der Technologiekonzerne, die Regulierung verhindern und ihre Monopolstellung stärken wollen. Letztlich fußten die gefeierte technische Errungenschaften fast immer auf einer Ausbeutung des globalen Südens. Warum, erklärt der Digitalisierungsexperte im Podcast. Und Sven Hilbig spricht auch darüber, was getan werden könnte, um den ständigen Kreislauf der Ausbeutung zu durchbrechen. Es gebe ihm besondere Hoffnung, dass sich immer mehr Menschen und Staaten gegen die kolonialen Strukturen wehren, die sie benachteiligen. „Es gibt sehr, sehr viele aktive Akteure im globalen Süden. Und wahrscheinlich wird auch die Befreiung aus dem globalen Süden kommen.“ **Empfehlung von Sven Hilbig** Sven Hilbig empfiehlt den oscarnominierten Essayfilm „Soundtrack to a Coup d'Etat“, der mehrere Entwicklungen nachzeichnet, die bis heute prägend für die Welt sind: Postkolonialismus, Bürgerrechtsbewegungen und Jazz. Der Film bespricht die Ermordung von Patrice Lumumba, dem ersten Premierminister des unabhängigen Kongos. Hilbig sagt, ihn habe die Musik und der Informationsgehalt beeindruckt. Und: „Der Film dauert zweieinhalb Stunden. Und trotzdem ist er kurzweilig.“ Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: Olga-Lin Bülau/Bearbeitung SZ Sie erreichen die Redaktion dieses Podcasts unter podcast@sz.de - wir freuen uns über Anregungen, Lob oder Kritik.

    1h 15m
  5. „Mit tödlichen Folgen“ – Tobias Singelnstein bei Carolin Emcke über Polizeigewalt

    MAY 15 • SZ PLUS ONLY

    „Mit tödlichen Folgen“ – Tobias Singelnstein bei Carolin Emcke über Polizeigewalt

    Rassismus, Waffeneinsatz, Korpsgeist – Wie sicher ist die Polizei? Darüber spricht Carolin Emcke im Podcast mit einem Kriminologen. Fast ein Monat ist seit dem Tod von Lorenz A. vergangen. Bei einem Polizeieinsatz in Oldenburg wurde der 21-Jährige erschossen. Warum? Dazu laufen Ermittlungen. Der Fall hat eine emotionale Diskussion um Waffeneinsatz und strukturellen Rassismus bei der Polizei ausgelöst. Denn Lorenz A. war schwarz. Ob rassistische Einstellungen innerhalb der Polizei verbreitet sind und ob die Beamten zu oft zur Waffe greifen, darüber spricht Carolin Emcke in dieser Folge mit dem Kriminologen Tobias Singelnstein, der zu Polizeigewalt forscht. Er erklärt, was die Aufklärung von Gewalttaten durch Polizistinnen und Polizisten erschwert, wie aussagekräftig Polizeistatistiken sind und inwiefern der Fall Lorenz symptomatisch für Probleme innerhalb der Polizei steht. _Hören können Sie diese Folge mit SZ Plus. Sollten Sie noch kein SZ-Plus-Abo haben, so finden Sie unter sz.de/ruheplus ein exklusives Probeabo zum Testen und Weiterhören. Mit einem Abo unterstützen Sie die Arbeit der SZ-Redaktion und damit den unabhängigen Journalismus._ Tobias Singelnstein, geboren 1977 in Berlin, ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Juristischen Fakultät der Goethe-Universität in Frankfurt. Zuvor war er Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Singelnstein ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift Neue Kriminalpolitik sowie der Schriftenreihe „Studien zur Kriminalität – Recht – Psyche“. Er ist außerdem Autor mehrerer Bücher. **Die Schusswaffe soll das letzte Mittel sein** Im Gespräch mit Carolin Emcke gibt Singelnstein Einblicke, wie Polizisten und Polizistinnen auf Gefahrensituationen trainiert werden und warum dieses Training zu übermäßiger Gewalt führen kann. Insbesondere wenn potenzielle Täter ein Messer bei sich tragen, komme es schnell zu einer Eskalation der Situation, ähnlich wie bei den tödlichen Schüssen auf Lorenz A. Für den Kriminologen besteht in diesem Fall das Problem daran, dass zunehmend „schon das Beisichführen des Messers an sich problematisiert wird“. Mit Hinblick auf den Einsatz von Schusswaffen erläutert Singelnstein, dass die Polizei in Deutschland eigentlich selten darauf zurückgreife. Doch wenn sie es tue, endeten diese Einsätze häufig tödlich. Der Einsatz von Waffen sei „das allerletzte Mittel“, das die Polizei in einer Einsatzsituation habe und nutzen dürfe. Deshalb gebe es hier auch rechtliche Hürden. **Systemische Fragen wurden bislang nicht bearbeitet** Obwohl es in der Polizei inzwischen eine Sensibilität für Probleme gebe, löse öffentliche, zivilgesellschaftliche Kritik häufig eine Abwehrhaltung aus, erklärt Singelnstein. Mitunter führe das dazu, dass innerhalb der Polizei oft „nur auf einer formalen Einzelfallebene diskutiert und abgehandelt wird und dass die strukturellen Probleme, die dahinter liegen, nicht richtig angegangen werden“. Dazu gehören für den Kriminologen auch die Fragen nach Gewaltanwendung und Rassismus. Tobias Singelnstein schlägt im Podcast mehrere Reformen vor, um die Polizei zu entlasten und die Aufarbeitung jeglicher Vorfälle zu verbessern. Etwa eine unabhängige Kontrollbehörde und eine Entlastung der Beamten, die für immer mehr Bereiche zuständig sind. „Aber ich glaube, es bleibt dabei, dass es für die Polizei wirklich schwierig ist, Probleme in ihrer Praxis öffentlich zu thematisieren.“ **Empfehlung von Tobias Singelnstein** Im April ist der jamaikanische Musiker Max Romeo verstorben, den Tobias Singelnstein in seiner Jugend viel gehört hat. Er schätzt die Nachdenklichkeit und Ernsthaftigkeit der Musik, die aber gleichzeitig immer auch etwas Fröhliches und Ausgelassenes habe. „Diese Mischung ist das, was mich daran anzieht“, sagt er und empfiehlt allen Hörerinnen und Hörern von „In aller Ruhe“, selbst hineinzuhören. Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: Uwe

    1h 18m

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Die Krisen überschlagen und verbinden sich: Pandemie, Klima, russischer Angriffskrieg. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz stellen die Gesellschaft vor immer neue Herausforderungen. Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Es lohnt sich deshalb, aus der schnellen Aktualität und der eigenen Perspektive auf die Welt auszutreten. Philosophin, Publizistin und SZ-Kolumnistin Carolin Emcke spricht in diesem Podcast dafür mit Aktivistinnen, Autoren, Künstlerinnen oder Wissenschaftlern über politisch-philosophischen Fragen hinter aktuellen Ereignissen und sortiert mit ihnen große gesellschaftliche Debatten. Die Folgen erscheinen alle zwei Wochen ab dem 25. Februar 2023.

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