Begeht Israel Völkermord in Gaza? Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck erläutert, welche Kriterien dafür erfüllt werden müssen – und warum er die Frage für zweitrangig hält. Wann immer Menschen Aufmerksamkeit für das Leid in Gaza fordern, steht er im Raum: der Vorwurf des Genozids. Oftmals begleitet von Unverständnis über die vermeintliche Untätigkeit von Justiz, Politik und Behörden. Über die juristischen Hürden des Völkermordbegriffes und die Situation in Gaza spricht Carolin Emcke im Podcast dieses Mal mit dem Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck. Er erklärt, wann Kriegsverbrechen tatsächlich als Völkermord bezeichnet werden können und warum er international eine Erosion des Völkerrechts befürchtet. _Sie können diese Folge mit SZ Plus hören. Sollten Sie noch kein SZ-Plus-Abo haben, so finden Sie unter sz.de/ruheplus ein exklusives Probeabo zum Testen und Weiterhören. Mit einem Abo unterstützen Sie die Arbeit der SZ-Redaktion und damit den unabhängigen Journalismus._ Wolfgang Kaleck, geboren 1960 in Mittelfranken, ist Fachanwalt für Strafrecht, unter anderem mit einem Schwerpunkt auf Menschenrechte. Er ist Generalsekretär und einer der Mitgründer des „European Center for Constitutional and Human Rights“ (ECCHR), einer gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Kaleck stieß zahlreiche Ermittlungen gegen Verantwortliche von Unrechtsregimen an, etwa in Argentinien, Syrien oder Iran. Auch vertritt er den Whistleblower Edward Snowden anwaltlich. Zudem veröffentlichte Kaleck mehrere Bücher. **Ein schwer zu beweisender Tatbestand – aber es gibt Indizien** Im Podcast erläutert der Anwalt, warum es schwer ist, die für den Tatbestand des Völkermords notwendige Vernichtungsabsicht eindeutig nachzuweisen. Deshalb dauere es oft lange, bis Gerichte zu einem eindeutigen Urteil kommen könnten. Für Menschen, die Opfer von Kriegsverbrechen geworden sind, sei das oft ernüchternd. Und trotzdem sei die gesellschaftliche Bedeutung dieser Prozesse enorm. Im Falle von Gaza, sagt Kaleck, sehe er starke Indizien dafür, dass es aufseiten Israels tatsächlich eine Vernichtungsabsicht geben könnte. Ein wesentliches Kriterium für einen Völkermord im juristischen Sinne. Dafür sprächen diverse Aussagen hochrangiger Regierungsmitglieder, sowie die massive Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Gaza und das Aushungern der Bevölkerung. Letztlich aber, sagt der Menschenrechtsanwalt, sei die Frage nach einem Völkermord zweitrangig. Denn für Kaleck steht es außer Frage, dass in Gaza mindestens Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden. Und allein das müsse ausreichen, um die internationale Staatengemeinschaft zu alarmieren. „Es gibt keine Hierarchien bei den Völkerstraftaten“, sagt der Anwalt. Mehr dazu, wie Wolfgang Kaleck die Situation in Gaza bewertet und warum er in Deutschland eine „Verwahrlosung des Diskurses“ kritisiert, hören Sie im Podcast. **Empfehlung von Wolfgang Kaleck** Als Kulturempfehlung hat Wolfgang Kaleck gleich einen ganzen Strauß an Tipps dabei. Generell sagt er, spreche es zu ihm, wenn sich Menschen künstlerisch mit Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen, „um vergangenen und aktuelles Unrecht zu bekämpfen.“ Der Menschenrechtsanwalt empfiehlt unter anderem den oscarnominierten Essayfilm „Soundtrack to a Coup d'Etat“ und den Roman „Ein von Schatten umgrenzter Raum“ von Emine Svgi Özdamar. Und: Wolfgang Kaleck spricht eine Empfehlung für das Buch „Menschenwerk“ der südkoreanischen Literaturnobelpreisträgerin Han Kang aus. Das sei ein „ein unglaubliches Werk“, das „dramatische, schwere Ereignisse auf eine poetische Art“ nahebringe. Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Clara Dzemla, Johannes Korsche Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: Nihad Nino Pušija/Bearbeitung SZ _Sie erreichen die Redaktion dieses Podcasts unter podcast@sz.de - wir freuen uns über Anregungen, Lob oder Kritik._